Hinweis: Diese Geschichte ist frei erfunden. Allerdings ist sie teilweise sehr traurig und wird teilweise sehr explizit. Bitte lese, diese Geschichte nur, wenn du dich bereit dafür fühlst. Sollte es dir nach dem Lesen der Geschichte schlecht gehen, suche dir Hilfe.
Es gibt eine begleitende Musikplaylist. Sie ist zum Anhören, während dem Lesen, aber die Lieder sind nicht an bestimmte Abschnitte gebunden. Link:
https://www.youtube.com/playlist?list=PLeY9d37XnfOeWvjLraGT7cdhMm7xb2iQ8
Der erste Blick
Reflektionen. Ich sehe seine Augen und sie strahlen etwas aus. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Eigentlich nicht mehr als reflektiertes Licht, aber doch ändert sich meine Welt. Er sitzt gegenüber von mir. Wir sind gemeinsam mit anderen Schülern in ein Pub gegangen. Er wirkt etwas unwohl, auch hat er sich nur eine Cola bestellt, während die anderen schon mehrere Getränke hatten. Er bemerkt mich und lächelt mich an. Dieses Lächeln erweckt etwas in mir. Ich verstehe mich selber nicht. Lächeln tuen doch so viele Menschen, warum ist dieses Lächeln dann so besonders? Ich versuche ebenfalls zu lächeln, was soll ich denn sonst machen? Wir sind alle vor einem Monat auf die FOS gewechselt und die meisten Klassenmitglieder*innen kenne ich noch nicht. Ob das gut oder schlecht ist, weiß ich nicht. Ich meine keine Verpflichtungen sind zwar keine Freude aber auch kein Leid. Die Arten eines Lebens sind doch so vielfältig, dass bestimmt auch ein solcher Weg existiert. <Hi, wie heißt du?> werden meine Gedankengänge von ihm unterbrochen. <Ähm…> stammle ich. Jemand interessiert sich für mich? Und dann ist es sogar er? < Ich heiße Alex.> sage ich immer noch stammelnd. Nachdem ich geantwortet habe, lächle ich. Wahrscheinlich übertrieben und befremdlich. <Oh cooler Name.> antwortet er mit einem Lächeln. Ich fühle mich wohl. Ich fühle mich sicher. Eine Geste, wie sie so oft passiert, die aber so viel für mich bedeutet. Ach könnte ich ihn doch immer lächeln sehen. <Und wie heißt du?> frage ich vorsichtig mit einem leichten lächeln. Ich möchte ihn nicht gleich verschrecken. Ich möchte nicht unhöflich wirken. <Oh, ich sollte mich auch vorstellen. Mein Name ist Felix.> sagt er lachend. Ich beginne ebenfalls zu lachen. Ich fühle mich wohl. Ich mag dieses Gefühl. Ich mag ihn.
Wille
Er lacht. <Was ist?> fragt er mich lachend. Es fließen Tränen von seinen Augen, während er sich vor Lachen kaum auf den Stuhl halten kann. <Liebst du es denn gar nicht?> fragt er mich schon fast entsetzt mit weit geöffneten Augen. Ich sitze wie angekettet auf meinen Stuhl und weiß nicht was ich sagen soll. Ich fühle mich, als hätte ein Mensch mir mein Herz herausgerissen. Die Tränen rollen meine Wange herunter. <Jetzt hör doch mal auf zu weinen!> sagt er lachend und sehr aggressiv, während er näher zu mir kommt. Dieser Mensch ist doch wahnsinnig, weiß er denn überhaupt was er macht? Ich kauere mich zusammen. Ich möchte nicht mehr. Ich habe nichts mehr. Ich bin nichts mehr. Doch bevor ich zu Ende denken kann, drückt er mit seinem Finger mein Kinn nach oben, sodass ich ihm in die Augen schauen muss. <Du magst es doch auch! Wenn die Verzweiflung den Körper übernimmt. Wenn der Wunsch nach dem Blutroten zunimmt. Wenn wir die Extase erreichen.> sagt er mit einem freudigen lachen in mein Gesicht. Ich versuche zurück zu weichen. Doch es gibt kein zurück. Ich wische meine Tränen weg. Ich schubse ihn mit meinen beiden Armen weg und er fällt auf den Boden. <Geh weg!> schreie ich ihn an. Ich kämpfe mit mir, ich möchte es nicht verstehen, aber doch sympathisier ich damit. Obwohl es weltfremd klingt, weiß ich was er meint. <Das kannst du doch nicht machen. Ich habe doch auch Gefühle.> antwortet er mit einem traurigen Gesicht und einer traurigen Stimme, während er langsam wieder aufsteht. Warum? Warum habe ich mich darauf eingelassen? Ich verzweifle. Ich fange an zu lachen. Er sprintet auf mich zu und greift mit seiner ganzen Hand nach meinem Kinn. Als er dieses zu greifen bekommt, reißt er meinen Kopf nach oben und kommt mir mit seinem Gesicht sehr nah. <Siehst du?> fragt er mich lachend. Breit grinsend und mit weit geöffneten Augen. Er sah zufrieden aus, als würde er sich wohlfühlen. Und ich? Habe ich eine Wahl? Ich spüre, wie mein Körper zustimmt und sich eine Stimmung der Zufriedenheit ausbreitet. Auf einen Schlag zucke ich zurück. Was war das?
Felix?
Es ist ein sonniger Tag und es ist keine Wolke am Himmel zu sehen. Ich komme gerade auf dem Marktplatz an. Heute ist in unserer Stadt das Altstadtfest und ich bin mit Felix verabredet. Wir haben uns angefreundet, aber ich habe zu große Angst ihm meine tatsächlichen Gefühle zu verraten, vielleicht würde er mich abstoßen. Solange er mein Freund ist, kann ich mit ihm sehr viel unternehmen. Der Marktplatz ist umrahmt mit alten Gebäuden und auf dem Marktplatz stehen einige Buden für Essen, Trinken aber auch Souvenirs. In der Mitte des Platzes sind einige Bänke und Tische aufgebaut. Mein Blick schweift über den mit Menschen gefühlten Platz. Da! Er sitzt auf der anderen Seite des Platzes mit einigen Menschen, welche ich momentan nicht weiter identifizieren kann. Ich habe heute relativ neue Klamotten an, welche ich sehr mag. Auch habe ich mich etwas Schick gemacht. Ich meine, ich bin mit Felix unterwegs. Während ich nochmal überprüfe ob alles passt, gehe ich los. Am Rand gibt es Wege um schnell alle Orte erreichen zu können. Ich mag es zwar überhaupt nicht, weil auf diesen so viele Menschen unterwegs sind. Aber doch suche ich mir meinen Weg zwischen Warteschlangen, alkoholisierten Menschen, Touristen und anderen Menschen. Ich bin nur noch einige Meter von dem Tisch an welchem Felix sitzt entfernt. Ich spüre, wie mein Herz anfängt schneller zu schlagen. Ich atme tief ein und aus. Ich gehe die letzten Schritte zu dem Tisch. <Schaut mal, wer da ist!> schreit eine der Personen an dem Tisch. Ich gehe langsamer, diese Stimme kommt mir bekannt vor. Ich gehe einige weitere Schritte. Ich sehe es. Ich weiß es wieder. Ich sehe die Person an und die weiteren Personen an dem Tisch.
Fragen über Fragen
Ich stehe vor dem Spiegel. Ich habe meine neuen Klamotten angezogen. Ich sehe mich im Spiegel. Eine weiße Wand. Einfallendes Licht. Und ein Mensch. Da stehen sie, die Kohlenstoffketten. Ich sehe mich selbst. Was fühle ich gerade? Was denke ich? Obwohl ich an der Quelle bin, weiß ich es nicht und erkenne es nicht in meinem Spiegelbild. Aber doch sehen die Menschen darin etwas. Die einen im Negativen und die anderen im Positiven. Ich starre mein Spiegelbild an. Das bin Ich, aber warum sehe ich nichts? Es ist als wären da ganze viele Ichs, die ich einfach nicht sehe. In den unterschiedlichsten Ausführungen und mit unterschiedlichen Zielen. Die dutzenden Augen jeden Tag, wie viele dieser Ichs sehen sie? Welche sehen sie? Aber was ist, wenn ich das nicht möchte? Muss ich den jedes dieser Bilder mögen? Muss ich den mit jedem dieser Bilder verbunden sein? Ich fahre mit einem Finger über mein Kinn. Das Spiegelbild folgt der Bewegung. Aber was machen die anderen Bilder? Ob sie wohl gerade mein Inneres repräsentieren? Als ein Kollektiv?
Erlösung
Tränen fließen über meine Wange. Ich sitze in einem bewaldeten Park. Zwischen den ganzen Bäumen und Büschen gibt es einige Spots um sich zu verstecken. Ich musste weg. Sie haben mich wieder erniedrigt. Und wieder. Und wieder. Während ich versuchte ihre Worte zu ignorieren, sah ich Felix. Er lachte. Es machte ihn Spaß? Ich rannte einfach los. Weg davon. Einfach nur weg. Mein Körper fühlt sich schwach an. Mein Herz schmerzt, als hätten Menschen mehrere Nadeln hineingesteckt. Ich weiß nicht, was mein Sinn des Lebens sein soll. Ich würde gerne vergessen was passiert ist. Die Erinnerung löschen. Mich befreien davon. Während ich denke, raschelt es neben mir. Dort steht ein Mensch. In schwarz-roter Kleidung mit einer Maske. <Hey, keine Angst.> sagt die Person mit einer freundlichen Stimme, als sie meine Blicke bemerkt. <Ich habe eine Person weinen gehört und dachte mir ich schaue mal nach.> ergänzte diese und kam näher zu mir. Ich weiche etwas zurück und sage <Es ist alles gut. Ich habe gerade nur etwas Trauriges erlebt. Sie können ruhig weitergehen.>. Ich versuche meine Tränen zurück zu halten und etwas zu lächeln ohne dabei merkwürdig zu wirken. <Du weinst doch nicht ohne Grund, ich kann dir helfen, wenn du willst.> bietet mir der Mensch an. <Und wie wollen Sie mir helfen?> frage ich, während in mir ein mulmiges Gefühl erscheint. Es ist als würde seine Aura mich einhüllen und in ihren Bann ziehen. Ich sollte abhauen und doch fühle ich mich Willkommen. Die Person setzt sich hin und fängt an zu reden <Bestimmt würdest du gerne einige Erinnerung löschen oder?>. Ich sitze auf einen Schlag gerade. Er hat exakt das ausgesprochen, das ich mir noch vor einigen Sekunden dachte. Aber Recht hat er doch. <Natürlich, diese Welt ist scheiße.> antworte ich ihm weinend. Er beginnt zu lachen. <Hast du ein Glück. Ich kann dir helfen.> beginnt er mit einer lachenden Stimme <Wir könnten Poker spielen. Unsere Einsätze sind unsere Erinnerungen – gute und schlechte. Du kannst jederzeit mit dem Spiel aufhören, du musst mich nur auffordern das Spiel zu beenden.>. Ich weiche zurück. Spielen um unsere Erinnerungen? Dieser Mensch ist merkwürdig. Aber doch irgendwie gefällt mir diese Idee. Ich sollte schon lange rennen – aber löst das meine Probleme? <Klingt gut. Wo und Wann?> sage ich weinend aber lächelnd. Eine Vorfreude auf das Vergessen? Vielleicht. <Hier und jetzt.> antwortet der Mensch mit einem übertriebenen Lachen.
Die Tragweiten
Ein herzroter Mensch liegt am Boden und hat eine stark blutende Wunde. <Geht es dir gut?> schreit ein weiterer Mensch in Grün. Aus dem nichts gab es einen Schlag, und nun liegen so viele von uns hier. Teilweise verletzt. Viele versuchen sich wiederaufzurichten. Einige sind zu den Verletzten gestürmt. Wir waren doch gerade erst nach langer Zeit wieder am Aufblühen. Wir konnten uns wieder festigen, hatten unser Ziel gefunden. <HaHaHaHa.> ertönt es. Verschiedene Menschen erscheinen, darunter eine schwarze und eine blutrote Person. <Sieht ja richtig schnucklig hier aus. Nur an euren roten Siegesnektar müsst ihr noch arbeiten. Das ist doch viel zu wenig.> sagt die blutrote Person. Sie waren größer geworden. <Was wollt ihr?> fragt die gelbe Person weinend. <Nicht viel. Nur euch auslöschen. Ganz einfach.> antwortet die Person in Schwarz lachend, während sie näher zu den Menschen gekommen war. Die teilweise verletzenden Menschen blickten entsetzt und verstört. <Niemals.> schreit die grüne Person aggressiv und entschlossen. <Schade.> antwortet die schwarze Person lachend und gibt der grünen Person einen Tritt mit dem Fuß. Die grüne Person konnte diesem nicht ausweichen und wurde nach hinten geschleudert. Als sie auf dem Boden ankam, verzog sie schmerzerfüllt ihr Gesicht.
Poker
Ich sitze an einem Tisch. Gegenüber von mir ist dieser komische Mensch. Auf dem Tisch liegt ein Deck Karten. <Wir spielen Texas Hold’em (https://de.wikipedia.org/wiki/Texas_Hold’em), okay?> fragt er mich mit einem Lächeln im Gesicht. <Ähm, okay? Du musst mir aber die Regeln erklären.> antworte ich verunsichert. In Bruchteilen von Sekunden waren wir vom Park in diesen Raum gekommen. Was genau geht hier vor sich? Ich höre ihm aufmerksam zu, während er die Regeln erklärt. Kaum hatte er zu Ende erklärt, erschienen vor mir einige Pokerchips. Es gab glitzernde Chips und es gab sehr dunkle Chips. Von beiden Sorten hatte ich je zwei 250er, drei 100er und vier 50er Chips bekommen. Ich greife mit meiner Hand nach den dunklen Pokerchips. Ich hebe einen der 50er Chips auf. Kaum hatte ich den Chip aufgehoben, fühlte sich mein Kopf mit den Erinnerungen.
Wir saßen damals in unserem Klassenzimmer. Zwei Polizisten kamen in das Zimmer und begrüßten uns. Darauf begann einer der Polizisten zu sprechen. <Wie bestimmt einige mitbekommen haben, hat sich Sidney aus der Nachbarklasse das Leben genommen. Wir möchten mit euch darüber reden.>. Ich habe Sidney nicht wirklich gut gekannt. Ich habe einige mal erlebt, wie Sidney geschlagen wurde und beleidigt wurde. Aber ich konnte nicht helfen. Und jetzt? Jetzt kann keine*r mehr Sidney helfen.
Ich lasse den Chip fallen. Ich weiche zurück. Woher kennt er meine Erinnerungen? Oder war das nur eine Einbildung? Ich greife nach einem 100er Chip. Aber auch hier, kaum berühre ich ihn, kommen die Erinnerungen in meinen Kopf.
<Warst du wieder am Altkleidercontainer?> wurde ich gefragt, als ich beim Sportverein ankam. Ich hatte neue Sportklamotten bekommen, nachdem beim letzten Spiel meine Klamotten merkwürdigerweise kaputt gegangen sind. Mein Vater ist Alleinerziehend und oftmals nicht meiner Meinung. Die Erinnerung an den Verlust meiner Mutter durch Krebs ist bestimmt auch in diesen Chips. Seiner Meinung nach, hätte ich auf ein Spielplatz gehen und dort Spaß haben sollen. Das würde dann auch nicht so viel Kosten, da ich ja anscheinend nicht weiß, wie ich mit Klamotten richtig umgehe. Dementsprechend habe ich nicht immer die neusten oder teuersten Sachen an. Ich mag es auch Handball zu spielen. Ich konnte so gut sein wie ich wollte, am Ende wurde ich immer aufgrund meiner Klamotten heruntergestuft. Der zuständige Trainer hat das ganze begünstigt, seiner Meinung nach, sollten nur die Menschen Sport machen, welche sich teure Sportklamotten leisten können. Wer keine teuren Klamotten hätte würde sich nicht für seinen Sport interessieren. Nach vielen Monaten hatte ich keine Lust mehr und habe mein Hobby aufgegeben.
Ich fange an zu weinen. Die Erinnerungen schmerzen. Ich will sie nicht noch einmal erleben. Nicht noch einmal die Schmerzen. Diese Schmerzen quälen mich doch schon mein ganzes Leben. Ich fange an zu zittern. Ich will das es endet. Ich fasse mit meiner Hand zu meinem Herz, es fühlt sich an, als würde es gerade sterben. Ich will die anderen Chips nicht sehen! Sie sollen weg! Ich will endlich Happy sein. Ein glückliches Leben führen.
Die Wahrheit
Ich fange an zu lächeln. Mein Spiegelbild folgt mir. Ich denke gerade an ihn und ich freue mich. Das Gemeinsame, dass wir erleben. Das Gemeinsame, dass wir planen. Das Vertrauen und Verständnis. Ich sehe in ihn etwas. Seine grünen Augen, sagen mir etwas. Sie versuchen mich zu erreichen, in ihren Bann zu ziehen. Als würden sie so viel sagen, dass ich nicht verstehe. Aber doch nimmt der Bann Einfluss auf mich. Oder gibt mein Körper diesen Bann nur nach? Weil es sich gut anfühlt? Ich sehe sehr nachdenklich aus im Spiegel.
Immer weiter
Ich zittere noch immer. Ich will keinen dieser Chips anfassen. <Können wir beginnen?> fragt er mich lachend. <Ähm… Ja klar.> antworte ich stammelnd, während mir weitere Tränen über meine Wange laufen. <Super! Dann darfst du vom Deck abheben.> sagt er mit einem breiten Lächeln. Ich hebe ein Teil ab und lege ihn neben den ursprünglichen Stapel hin. Der Mensch teilt jedem zwei Karten aus. Ich nehme meine beiden Karten. Eine Herz sieben und eine Kreuz zwei. Würde ich ein hohes Blatt wollen, wären diese Karten absoluter Schrott. Aber was ist mein Ziel? Ich will das der Schmerz aufhört. Ich will glücklich sein. Also habe ich doch gute Karten. <Ich setze 100.> sage ich entschlossen zu ihm, während ich den Handball-Chip in die Mitte werfe. Endlich weg! Befreit! Ich versuche meine Freude zu verstecken, ich gewinne gerade! <Na, du willst es aber wissen.> sagt er, während er sich vor Lachen kaum halten kann. <Dann gehe ich mal mit und erhöhe um 250.> sagt er sichtlich erfreut. Wie einfach. Ich kann alles so schnell los werden? Hätte ich gewusst, dass es so einfach geht, hätte ich mich schon früher befreien können. Ich greife nach einen der beiden 250er Chips. Kurz bevor ich ihn berühre, stoppe ich. Wenn ich ihn berühre, dann muss ich mich erinnern. Nur ein letztes Mal. Danach nie wieder.
Vertrauen
Selina ist heute bei mir. Wir schauen gemeinsam Filme und reden über unsere Zukunft. Sie möchte in eineinhalb Jahren mit einer Ausbildung anfangen. Ich würde gerne die FOS besuchen um danach zu Studieren. Wir erzählen von unseren Träumen, was mir gerne mit unserem ersten Geld machen würden. Allerdings ist es schon spät und Selina muss bald nach Hause. Ich frage sie, ob ich ihr für mich wichtige Dinge anvertrauen kann. Sie weiß sehr viel über mich und mein Leben, auch gehört sie zu den ganz wenigen Menschen, die bei mir zuhause waren. Selina antwortet <Ja, klar. Immer doch. Du weißt bei mir ist es sicher.>. Sie lächelt, wie immer. Ich atme tief durch. Ich habe große Angst davor. Es ist für mich sehr wichtig. Aber kein anderer Mensch darf es erfahren. Nachdem ich ihr es gesagt habe, lächelt sie mich an. Wir schauen auf die Uhr. Selina muss los. Ich bringe sie zur Tür und wir verabschieden uns.
Am nächsten Tag komme ich ihn die Schule. Ich hatte gerade die Tür geöffnet, da hörte ich einen Mitschüler schreien <Weißt du schon, dass Neueste über Alex?>. Ich trete in das Schulgebäude und sehe wie die Schüler*innen große Augen bekommen und fassungslos dastehen. Als sie mich bemerken, schauen sie mich angewidert an. Was war passiert? Nein! Nicht! Ich fange an zu weinen. Selina hatte es weitergesagt. Ich drehte mich um. Ich rannte los. Ich will nicht. Warum? Mein Herz schmerzt, meine Beine schmerzen vom Laufen und mein Gesicht ist von Tränen überflutet.
Regeln und Folgen
Chips im Wert von 2000 liegen in der Mitte des Tisches. Ich habe sie fort. Sie sind da drinnen. Meine Traurigkeit und Schmerz mischen sich mit Freude. So viele. So viele Erinnerungen. Ich musste sie alle noch einmal durchleben. Endlich ist er der Schmerz weg. Nie wieder! Frei! Glücklich! Wie ein Mensch es sich wünscht. Der Mensch legt die letzte Karte. In der Mitte liegen jetzt 5 Karten. <Also ich habe ein Drilling und du?> fragt mich der Mensch lachend und zufrieden. <Ähm, High Card.> beginne ich mit einer Mischung zwischen Weinen und Lachen <sieht so, als hätte ich wohl verloren.>. <Na, dann habe ich wohl gewonnen.> sagt er lachend. Er lacht sehr herzhaft. Warum freut er sich so? <Du hast gesagt, ich kann jederzeit gehen, wenn ich möchte.> sage ich fest entschlossen und freudig. <Das stimmt. Aber du solltest eine Kleinigkeit nicht vergessen.> sagt er lachend, während er sich kaum noch auf den Stuhl halten kann. <Das was du bist, sind deine Erinnerungen. Die tollen Erinnerungen entstehen durch das Kollektiv deiner Erinnerungen und deines Charakters und bekommen ihren Wert durch die schlechten Erinnerungen. Und das Kollektiv der Erinnerungen nimmt Einfluss auf deinen Charakter. Oder einfacher formuliert: Deine tollen Erinnerungen sind nicht mehr alle toll. Auch werden sie nicht lange halten, denn dir fehlt jetzt ein großer Teil von dir. Am Ende wirst du wieder tolle und schlechte Erinnerungen haben, aber keine die du dir jetzt wünscht.> erklärt er mir lachend, während er mir näherkommt. <Aber genau das wolltest du doch, oder?> sagt er lachend, während er mit seinem Gesicht nahe zu meinem kommt.
Meine Atmung stockt. Mein Herz rast. Ich zittere. <WAASS?> schreie ich ihn an. Ich weine. Die Tränen fließen wie Bäche über meine Wange. <Muss ich meine letzte Aussage wiederholen?> fragt er mich lachend und genervt. Er schaut mich fragend an. <Du solltest mein Leben besser machen!> schreie ich ihn weinend an. Er fängt an zu lachen und sagt lachend <Ich sollte was? Ich habe dir nur angeboten, mit dir um deine Erinnerungen zu spielen. Mehr nicht.>. Während er lachend auf dem Boden liegt, fühle ich mich, als würde ich sterben. Ich schaue auf die glitzernden Chips. Mein Reichtum! Nein! Das kann nicht wahr sein! Ich zucke zusammen, mein Herz schmerzt. Mit beiden Händen versuche ich von außen mein Herz zu berühren. Ich will das es aufhört.
Das Ziel
Leben? Eine Freiheit oder eine Bürde? Fühlst du die Freiheit, wie sie dich in dem Arm nimmt? Fühlst du wie die Hoffnung dir Kraft gibt? Fühlst du die Wärme einiger Menschen? Lächelst du? Aber was ist, wenn das geschrieben komplett obskur für dich ist? Wenn das geschriebene in weiter Ferne ist? Du beginnst zu rennen und das Ziel wird nicht größer. Aber du rennst und rennst. Und nach einigen Metern befindest du dich im Nichts, du bist Orientierungslos. Du siehst dein Ziel nicht mehr und beginnst Wild umher zu rennen. Aber doch kannst du näher zu deinem Ziel kommen, aber dich auch entfernen. Während sich die Welt um dich herum zerstört, rennst du weiter. Und doch hoffst du wie ein Frosch auf ein Stück Butter um dich zu befreien, obwohl du im Wasser schwimmst.
Wert und Angst
Ein Tisch. Zwei Menschen. Vor mir liegen noch ein 250er Chip, ein 100er Chip und ein 50er Chip. Was kann ich machen? Ich will nicht mehr. Aber dann ist alles kaputt. Aber ich könnte neue Erfahrungen sammeln. Aber verliere die für mich wertvollen Erinnerungen. Aber ich kann mich ja um sie kümmern. Aber das bin nicht mehr ich. Ich habe eine Herz fünf und ein Karo vier auf der Hand. In der Mitte liegt eine Pik Acht, eine Kreuz Eins, eine Herz sieben und eine Kreuz sechs. Die letzte Karte wurde noch nicht aufgedeckt, allerdings habe ich einen Straight. Ich muss nur das eine mal gewinnen, dann ist wieder alles wie davor. Aber doch will ich nicht. Es tut so weh, die Chips zu legen. Ich krampfe jedes Mal zusammen. Ich kann meine Emotionen nicht mehr steuern. Ich will das es endet. <Ich erhöhe um 50.> sage ich weinend, während ich den letzten 50er Chip in die Mitte lege.
<Hey, wie geht es dir?> fragt em mich. Ich sitze an einem Baum und weine. <Das war echt Mies von Selina.> sagt Kyle zu mir und versucht ein lächelndes Gesicht zu machen. <Du musst nicht bei mir sein.> antworte ich weinend. <Ich will aber bei dir sein, Alex. Ich mache mir doch auch Sorgen.> antwortet em ebenfalls leicht weinend. Ich blicke em an und versuche etwas zu lächeln. Es dürfte sehr Fake aussehen. Kyle nimmt mich in den Arm. Es fühlt sich gut. Ein Halt im endlosen Fall. <Du bist und bleibst mein Alex.> sagt em weinend zu mir. Ich fühle mich wieder etwas besser. <Danke das du da bist.> sage ich noch immer weinend zu ihm.
<Nur 50? Und ich dachte, dass du deine Erinnerungen wiederhaben möchtest.> sagt der Mensch lachend zu mir, während er seinen Kopf auf seine Hand stützt. <Halt die Klappe!> schreie ich ihn wütend und traurig an. <Weißt du überhaupt, was es bedeutet diese Erinnerungen zu setzen?> frage ich entsetzt. <Du hast ja Probleme.> sagt er ziemlich genervt, während er seine Augen verdreht. Dieser Mensch kennt nur eins. Alles verschlingen bis ich Tod bin. <Wir entscheiden, was uns Menschen und Momente wert sind. Die Wichtigkeit einer Person kommt aus unserer Angst. Aus der Angst die Person zu verlieren. Aus der Angst die Person zu verletzen. Aus der Angst der Person unsere Gefühle zu offenbaren. Aus der Angst abgelehnt zu werden. Wenn ich beispielsweise eine Person liebe, ist es auch meine Angst die ich überwältige. Die Angst vor Zurückweisung, vor negativen Reaktionen, vor Ablehnung nicht nur durch die Person, sondern auch von meinem Umfeld. Aber ich habe das getan, weil ich es wollte. Es sind meine Handlungen und Empfindungen. So kann ein Chip von der Gesellschaft als 50 ausgeschrieben sein, während er mich für 250 oder mehr wert ist. Also halt deine Klappe! Geh entweder mit oder gib auf!> schreie ich ihn wütend an, während ich mich immer Gefühlloser fühle. Wie eine Hülle, dessen Leben sich auflöst und nur die Notfunktionen aufrechterhält. Es schmerzt. Aber vielleicht ist das auch meine Strafe. Oder eine Art des Lächelns?
<Wert? Wer verspielt hier seine Erinnerungen, als wäre es nichts? Das ist dann aber ein wertvolles nichts.> sagt er genervt zu mir, während er gelangweilt aussieht. <Aber gut, lass uns Spaß haben! Ich gehe mit und setzte 350.> sagt er anschließend lachend. Er beugt sich nach vorne und schaut mich mit weit geöffneten Augen an. Ich schrecke zurück. Was? Gibt es kein zu Wahnsinnig für ihn? Ich versuche auf die beiden verbleibenden Spielchips zu schauen. Ich zucke zusammen. Ich kann doch nicht. Ich kann doch nicht diese Erinnerung auf das Spiel setzen. Aber wenn ich nicht gewinne, verliere ich die anderen Erinnerungen. Ich habe nur diesen einen Weg. Ich bewege meinen Kopf nach links und weine. Mit meiner rechten Hand gehe in Richtung der Chips. Ich zittere. Ich will nicht. Meine Hand weigert sich. Ich will nicht mehr. Mein ganzer Körper schmerzt. Aber doch schiebe ich die Chips in die Mitte.
Moment der Ewigkeit
<Hey, lass den Kopf nicht hängen.> sagt meine Mutter. Sie sitzt in einem Krankenbett und lächelt mich an. <Alle Menschen verlassen irgendwann diesen Planeten. Da ist Mama auch keine Ausnahme.> redet meine Mutter beruhigend auf mich ein. Ich habe sie seit langem, das erste Mal wiedergesehen. Sie hat ganz tief und fest geschlafen und sie wird bald nicht mehr aufwachen. <Aber was mache ich ohne dich?> frage ich sie traurig. <Bestimmt wirst du zu einem tollen Menschen, auch ohne mich.> beginnt sie <Jetzt erzähl mir erstmal, was du bis jetzt alles gemacht hast in deinem Leben. Du hast doch bestimmt schon viel erlebt.>. <Ja natürlich! Also pass auf.> beginne ich mit Freude zu erzählen.
Ende
<Dann decken wir mal die letzte Karte auf.> sagt er lachend. Er legt die erste Karte auf den Burn-Stapel und legt die zweite Karte in die Mitte und dreht diese anschließend um. Es war eine Kreuz zwei. <Was hast du denn?> fragt er mich. Ich lege siegessicher meine Karten auf den Tisch und sage <Eine Straße mit vier, fünf, sechs, sieben und acht.>. Er beginnt zu lachen. <Süß, naja ich habe hier eine Kreuz zehn.> sagt er lachend, während er seine erste Karte ablegt. Während er seine zweite Karte legt sagt er begeistert <Und hier habe ich eine Kreuz vier. Das bedeutet ich habe einen Flush und damit habe ich gewonnen.>. Was? Ich schaue die Karten an. Nein! Nein! Ich fühle mich als würde ich sterben. Nein! Das kann doch nicht wahr sein! Ich hatte doch gute Karten. Ich wollte doch nur mein altes Leben wieder! Ich wollte meine Erinnerungen bewahren. Ich wollte doch keine*n verlieren. Und jetzt? Ich bin nichts mehr. Als hätte ich nie gelebt. Ich schaue mich selber an. Ein Körper, dessen Inhalt leer ist. Noch vor Stunden stand ich vor dem Spiegel und sah mich. Und jetzt ist Alex nicht mehr.
Lachen
So viele Menschen. In grün, herzrot, gelb, orange, hellblau, violett, pink und vielen anderen Farben. Alle verletzt am Boden. Alle bluten. <Jetzt seit doch nicht so widerspenstig.> sagt ein Mensch in Schwarz sehr genervt. <Aber sie könnten mehr bluten.> sagt eine Person in Blutrot lachend, während sie in einer Blutpfütze liegt. Die herzrote Person versucht aufzustehen, allerdings versagt sie dabei. Es wirkt als würde eine unsichtbare Hand sie daran hindern. Aber auch der grüne Mensch kämpft. Fast Tod und doch möchten sie nicht aufgeben. Aber nicht einmal mehr folgt die Form dem Willen. <Bald ist es geschafft. Bald ist es unser Körper.> sagt die schwarze Person zur blutroten Person lachend. <Ihr werdet das niemals schaffen.> versucht die herzrote Person zu schreien. <Wer redet denn mit dir?> beginnt die blutrote Person lachend <Du könntest mir nur mehr Blut geben, der Vorrat hier wird schon wieder knapp.>.
Suche
<Alex bist du hier? Das ist doch dein Lieblingsort.> schreit Felix besorgt. Er geht durch den Park und bleibt immer wieder stehen. Dann geht er in die Hocke und sucht in den Büschen und unter den Bäumen. Er sieht sehr besorgt und traurig aus. <Alex!> schreit er erneut. Er geht weiter und sucht wieder. Aber was macht er hier? Er hatte doch gelacht. Ich bedeute ihn doch nichts! Oder? Bin ich ihm wichtig? Macht er sich Sorgen? <Alex! Bist du hier? Geht es dir gut?> schreit er erneut. Er wirkt langsam verzweifelt, dass er mich nicht findet. Ich fühle etwas. Ich fühle mich als würde in mir ein Kampf toben. Als hätte sich ein rot-grüner Schleier über mich gelegt. Als würde die Liebe, die Freundschaft und die Hoffnung zum Angriff schreien. Obwohl er nur nach mir ruft, sagt er so viel. Ich höre und sehe so viel.
Ich entscheide
Mein Körper hört nicht auf mich. Aber ich will nicht. Ich nehme meine letzte Kraft zusammen. Ich bestimme was passiert. Ich schaffe es ihn von mir wegzudrücken. <Was soll das?> fragt er mich weinend. <Du willst es doch auch!> schreit er mich an. <Nein! Ich wollte Erlösung und habe immer und immer mehr zerstört. Statt zu stoppen, habe ich noch mehr zerstört.> sage ich weinend und unter Schmerzen. Er weicht lachend zurück. Da! Es ist eine Münze erschienen. Sie hat den Wert 1000 und ist eine Mischung aus den dunklen und den glitzernden Chips. Ich greife benommen nach ihr. Kaum habe ich ihren Inhalt gesehen, breche ich in Tränen aus. Danke Felix. Eine Chance hier raus zu kommen. <Nächste Runde!> schreie ich entschlossen. Er zuckt zurück und schaut mich fragend an. <Wir waren kurz vor der Extase und du machst den schönen Moment kaputt.> sagt er weinend, während er sich auf seinen Stuhl setzt. Er beginnt die Karten zu mischen und jedem 2 Karten zu geben. <Du hast mir mein Spaß kaputt gemacht! Ich setze alle deine Chips!> schreit er mich wütend an. Ich atme tief ein und aus. Ich schaue den Chip an. Ich beginne zu lächeln und halte die Tränen zurück. Es ist meine Chance. Ich nehme den Chip und lege ihn schwungvoll in die Mitte des Tisches und schreie <All-In!>. Er weicht zurück und schaut mich fragend an. <Aber du machst das ganze Spiel kaputt.> sagt er weinend. Er beginnt damit die weiteren Karten aufzudecken. In der Mitte liegen die Karo zehn, Karo Jack, Karo zehn, Pik drei und eine Karo neun. <Karo sieben und acht. Ich habe einen Straight Flush.> sagt er lachend. <Oh schön für dich. Karo Queen und King.> sage ich lachend zu ihm und lege meine Karten auf den Tisch. Ich habe es geschafft! Ich habe es überwunden. <Ich möchte mit dem Spielen aufhören.> sage ich fest entschlossen und weinend vor Freude. <Nein! Ich will doch auch mein Spaß haben.> schreit er mich weinend an. <Ich will aber Alex sein und nicht eine leere Puppe. Ich will Leben und nicht permanent im Schmerz existieren!> schreie ich ihn an. Er schaut mich verächtlich an. Ich sehe wie er und der Raum sich in schwarz-rote Partikel auflösen.
Es wird Zeit
Ich sitze wieder im Park. Es ist einige Zeit vergangen. Ich schaue mich an. Ich bin da! Ich erinnere mich! Ich beginne zu weinen. Wo ist Felix? Ich krieche aus dem Gebüsch. Da! Da vorne ist er! <Alex!> ruft er weinend, während er mich noch nicht bemerkt hat. <Felix!> rufe ich ebenfalls weinend zurück. Kaum habe ich ausgesprochen, dreht er sich um. Sein Gesicht beginnt zu lächeln und er kommt auf mich zu. Ich beginne ebenfalls zu ihm zu gehen. Kaum haben wir uns erreicht, fallen wir uns die Arme. <Danke!> flüstere ich ihm zu. <Ich bin so froh, dass es dir gut geht.> antwortet er mir. <Ich muss dir so viel sagen und gestehen.> sage ich nervös zu ihm. Wir haben aufgehört uns zu umarmen. <Klar, wenn du willst. Wie wäre es ähh bei mir mit einem leckeren Getränk?> sagt er mit einem leichten lächeln zu mir und wischt sich die Tränen vom Gesicht. <Klar gerne.> antworte ich lächelnd. <Na dann, auf zu mir.> sagt er fröhlich, während er meine Hand nimmt. Ich schaue zuerst auf unsere Hände und dann zu ihm. <Du sagst so viel, obwohl du wenig redest. Ein paar Sachen weiß ich.> sagt er lächelnd, als er mein Blick bemerkt. Ich antworte lächelnd <Na, dann los.>.
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