Hinweis: Diese Geschichte ist frei erfunden. Allerdings ist sie sehr traurig und wird teilweise sehr explizit. Bitte lese, diese Geschichte nur, wenn du dich bereit dafür fühlst.
Es gibt eine begleitende Musikplaylist. Sie ist zum Anhören, während dem Lesen, aber die Lieder sind nicht an bestimmte Abschnitte gebunden. Link: https://www.youtube.com/playlist?list=PLeY9d37XnfOe3Yi9nvFFJERI9ikD4lUIh

[…][30]

Mein Wecker klingelt. Es ist immer die gleiche nervige Tonfolge, ich sollte sie mal ändern. Mit meiner Hand suche ich am Boden nach meinem Handy um den Wecker zu deaktivieren. Es ist nicht das neuste Modell und hat ab und zu seine Macken, aber es tut was es soll. Als ich es gefunden habe deaktiviere ich den Alarm, kuschle noch einmal kurz mit meinem Kissen und setze mich aufrecht auf mein Bett. Ein weiterer nutzloser Tag auf dieser Erde. Ich suche mit meiner linken Hand den Lichtschalter und schalte das Licht an. Mein Zimmer wurde sichtbar. Die Wände in einem Lila – Grün – Weißen Muster gestrichen, rechts neben der Tür steht mein Bett, welches komplett mit Kissen überdeckt ist. Kissen haben viele praktische Anwendungsgebiete, müsst ihr wissen. Gegenüber von meinem Bett steht mein Schreibtisch Marke Eigenbau und darauf ein älterer Laptop. Links von mir ist mein Kleiderschrank und rechts ein Fenster.

Nachdem ich duschen war und mich angezogen habe, gehe ich in die Küche. Dort frühstückten meine Eltern bereits. <Ach, ist der Herr auch mal wach?> Meine Mutter war nett, wie immer. <Ich habe doch genug Zeit bis ich los muss> antwortete ich während ich zu einem Stuhl gehe. Auf dem Tisch liegen Toastscheiben. Zudem stehen auf ihn Marmelade, Honig und Nutella. Ich setzte mich auf einen Stuhl und nehme mir einen Toast. <Wie siehts den überhaupt in der Schule aus?> fragt mein Vater, während ich meinen Toast mit Marmelade beschmiere. <Es läuft> sagte ich, bevor ich beginne den Toast zu essen. <Was heißt es läuft? Dann musst du dich halt mal hinsetzen! Wie kannst du dein Leben nur so verschwenden> erwidert er leicht wütend. <Was weißt du den über mein Leben?> erwidere ich sauer und stehe auf und verlasse den Raum. Im Gang ziehe ich mir meine Schuhe an, während meine Eltern irgendwas in Richtung <Was fällt dir denn ein!><Schau, dass du dich wieder hinsetzt!> aus der Küche schreien. Ich nehme meinen Rucksack, stecke meinen Schlüssel ein und verlasse das Haus. Die Diskussion, welche folgen würde, muss ich mir absolut nicht antuen.

In der Schule angekommen gehe ich in mein Klassenzimmer. Bevor ich ins Klassenzimmer gehen kann, wird mir der Weg versperrt. <Schaut mal, da ist das ES!> ruft der etwas dickliche Junge Tom. Tom war ein Einzelkind und beide Elternteile verdienten relativ gut, demensprechend hatte er meist auch teure Markenklamotten an und er konnte mich absolut nicht leiden. <Du weißt schon, dass diese Art der Tiere Mensch heißt?> erwidere ich genervt. <Du musst ja nur sagen, was du in der Hose hast.> bekomme ich als Antwort. Dieser Mensch hat wirklich nichts Besseres zu tun. <Du bist nicht mit mir zusammen, also was geht’s dich an?> sage ich. Bevor ich mich verteidigen kann, werde ich von ihm auf den Boden geworfen. Die umstehenden Klassenkameraden*innen beginnen auf mich einzutreten, wie willenlose Sklaven. Ein paar blaue Flecke mehr oder weniger, ist ja auch schon egal. <Du wirst nie mit jemanden zusammenkommen! Du scheiß Freak! Keiner mag dich!> schreit Tom auf mich ein und die anderen stimmen ihm zu. Diese Worte sind verletzend, aber doch bin ich ihnen machtlos ausgesetzt. Ich unterdrücke meine Tränen, von meinem geistigen und physikalischen Schmerz, ansonsten würde ich noch mehr Schmerzen haben.

<Ding Dong> die Schulglocke klingelt, die anderen gehen zügig ins Klassenzimmer, währenddessen versuche ich aufzustehen. Natürlich schmerzt es, ich habe einige Schläge abbekommen. Aber es hilft ja nichts, ich muss in diesen komischen Unterricht, ansonsten sind die Schläge nur von anderen Urhebern. Heute hätte ich normalerweise vier Stunden, zwei Stunden Geschichte und danach zwei Stunden Mathematik. Wenigstens einmal ist das Schicksal nett zu mir, meine Lehrkraft in Mathematik kann mich nicht wirklich leiden. Ihre Hauptinteraktion besteht darin, mich zu fragen, ob mir meine Eltern den Namen „Sidney“ gegeben haben. Ist dieser Name denn so abnormal? Hat er Bedeutungen, von denen ich nichts weiß? Oder bin einfach Ich das Problem?

Das Problem. Was wäre, wenn ich anders wäre? Muss ich mich vielleicht an die anderen anpassen? Wer ist den richtig oder falsch? Lebe ich falsch? Denke ich falsch? Sind die anderen gut? Aber, wenn das gut ist, was soll dann falsch sein? Den Teufel als Gott? Wer ist dann der Teufel von Gott? Aber heißt es nicht immer <Be proud of yourself>?

Ich gehe leicht humpelnd in das Klassenzimmer. Wir haben in Geschichte gerade das Thema Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg. Heute sollen wir in Gruppenarbeiten – Kotz – verschiedene Themen bearbeiten. Unsere Lehrkraft beginnt die Gruppen auszulosen. Ich hoffe einfach nur, irgendwelche Sklaven zu bekommen. Böse und schiefe Blicke sind eine andere Liga als Schläge. Und Schläge hatte ich heute schon und ausgehen werden sie mir so schnell nicht. <Gruppe drei. Erstes Mitglied Sidney> sagt meine Lehrkraft. Soweit so gut, noch gibt es keinen Weltuntergang. <Zweites Mitglied ist Lukas und drittes Mitglied ist Maria> fügt meine Lehrkraft an. Mein Kopf rutscht von meinen Händen. Warum? Fuck you Schicksal. Ach ja, ihr könnt meine Freudesprünge natürlich nicht verstehen. Die beiden sind die Handlanger von Tom. Also statt den 6 aus 49 habe ich 5 aus 49 geschafft. Mir wäre aber eindeutig 0 aus 49 lieber gewesen. Während ich überlege, ob es einfacher ist meine Eltern beizubringen, dass ich wegen irgendwas aus dem Unterricht geflogen bin oder mit diesen beiden Personen dieses Projekt zu machen, verteilt die Lehrkraft die Themen.

<Wiedervereinigung Deutschlands ist doch ein tolles Thema, oder?> sagt Lukas zu Marie, welche zustimmend nickt. Ja, ich habe mich für diese Art von Sterben entschieden, dann überlebe ich wenigstens heute Abend noch meine Eltern. <Na Freak, du freust dich doch bestimmt auch?> fragt mich Marie. <Ja klar, ich habe keine Freunde und jetzt habe ich die Ehre mit euch zusammenarbeiten zu dürfen.> antwortet Lukas für mich, bevor ich antworten kann. Diese Gruppenarbeit kann ja nur gut werden. Option 1 wird mir gerade um einiges Sympathischer. Ich atme tief durch und setze ein lächelndes Gesicht auf. Sie müssen nicht gleich wissen, dass meine Freude am Erdmittelpunkt angekommen ist. <Das Thema ist sehr interessant, da werden wir auf jeden Fall viel präsentieren können.> sage ich mit leicht übertriebener Freundlichkeit. <WIR?> die beiden anderen reagieren entsetzt. <Also Hummer hat es> fügt Marie an. <Freaks, wie du haben keine Rechte> ergänzt Lukas. Das wird die interessanteste Gruppenarbeit meines Lebens. Ich wünschte ich hätte mich für den Tod entschieden. <Ihr dürft die Arbeit auch zuhause machen und müsst nicht da bleiben> meldet sich die Lehrerin während meiner Gedankengänge. <Freak! Schau mal, du darfst deine Arbeit auch zuhause machen. Dann müssen dich die anderen Menschen nicht ertragen.> sagt Lukas lachend, während die beiden ihre Schulsachen zusammenpacken.  <Also dann bis morgen, Freak> ruft Marie als die beiden aus dem Raum gehen. Ich atmete erneut tief durch und beginne ebenfalls meine Sachen zusammen zu packen. Ich nehme meinen Rucksack und gehe aus dem Zimmer. Meine Schmerzen haben sich gemildert und es ist halbwegs erträglich geworden.

Einige KlassenkameradInnen gehen anfangs ähnlich wie ich nach Hause, und wie gewöhnlich gab es einige dumme und schlechte Witze über mich. <Freak, was für ein Tier bist du?>, <Es, wie geht es dir? Freak, damit meine ich die Laterne.> Das Niveau würde beim Sinken neue Rekorde schlagen, dafür müsste aber erstmal eins existieren. Nach der Hälfte des Weges trennen sich endlich die Wege. Das letzte Stück ist sehr entspannend. Ein Moment des Friedens. Ein Moment des Atmens. Ich bleibe stehen und atme tief ein und aus. Keine Menschen, die etwas von mir möchten. Keine Menschen, die mich demütigen möchten. So viel Raum, um Ich zu sein. Der beste Moment am Tag. Durch die Kronen der Bäume scheint die Sonne. Dass Muster am Boden sieht interessant aus. Ich setzte mich auf eine kleine Mauer, hole meine Wasserflasche heraus und beobachte das Muster, welches sich durch den Wind ändert.

Meine Eltern arbeiten beide tagsüber, daher ist es egal, wann ich nach Hause komme. Ich schließe die Wohnung auf und gehe hinein. Nachdem ich mich ausgezogen habe, gehe ich in Richtung meines Zimmers. Außen an meiner Zimmertür war ein Notizzettel angebracht worden. Ich greife mit meiner Hand nach ihm und lese ihn. <Solange du deine Füße unter meinen Tisch hast, hast du dich zu benehmen! Du wirst sehen, was du davon hast!> steht auf ihn. Naja nichts neues. Klingt so als würde ich heute mit dem Leben davonkommen. Ich öffne die Tür und gehe in mein Zimmer. Ich gehe zu meinem Laptop und starte ihn, währenddessen hole ich mir etwas zu trinken.

Erstmal Wikipedia und YouTube öffnen und nach Wiedervereinigung suchen. YouTube hat einige interessante Videos. Beispielsweise gibt es hier ein Video über den Grenzübergang Bornholmer Straße von 1989. Mit einem verständlichen Deutsch und absolut unbrauchbaren englischen Untertitel ausgestattet. In dem Video kann die Nacht der Grenzöffnung gesehen werden. Erst werden die Bürger gar nicht durchgelassen, später vereinzelt ohne Rückkehrmöglichkeit und am Ende öffnen die Grenzschützer eigenmächtig die Grenze. Ein sehr interessantes Video. Aber nach so einigen Videos, wird das Thema langweilig. Ich beschließe Videos über andere Ereignisse zu schauen. So schaue ich ein Video über den Unfall in Eschede und den Fall Max. Der Fall Max ist sehr interessant, da er auch erst 50 Tage zurück liegt.  Max ist 16 Jahre alt gewesen als er mit seiner Klasse mit dem Bus unterwegs war zu einem Schulausflug. Allerdings kam der Bus von der Straße ab und überschlug sich mehrfach und brannte anschließend. Er war die einzige Person, welche dieses Schreckensszenario überlebt hat. Allerdings hatte er alle persönlichen Erinnerungen verloren bzw. seine Psyche verdrängt diese. ExpertInnen empfahlen seinen Eltern, in eine andere Stadt umzuziehen und seinen Namen ändern zu lassen, um seine geistige Gesundheit zu schützen. Ein sehr trauriger Fall. Ich hoffe das es dem Jungen gut geht und er ein erfülltes Leben hat. Aber jetzt sollte ich am Projekt weiterarbeiten, es ist schon Abend geworden. Ich öffne PowerPoint um die ersten Folien zu erstellen.

Meine Tür geht auf und herein kommt mein Vater. <Was macht der Herr denn? Wahrscheinlich Computerspiele spielen> meckert er mich an. Ich schloss meine Augen. Das wird jetzt lustig. Wie lange er es wohl durchhält? <Ich arbeite gerade an einem Geschichtsprojekt zum Thema Wiedervereinigung.> antworte ich genervt. Mein Vater baut sich hinter mir auf und schaut in meinen Laptop. <Aber das ist ja leer!>, fängt er an, <Willst du mich verarschen!?>. Wer kennt es nicht? Ich öffne PowerPoint und binnen von Minuten habe ich eine Präsentation fertig, ohne vorher nach Informationen zu suchen. Ich hoffe gerade nur, dass er einfach zu besoffen ist und mir jetzt mein Frieden lässt. <Ich habe vielleicht davor nach Informationen gesucht?> erwidere ich deutlich genervt. <Verarschen kann ich mich selbst!> schreit er mich an, während er ausholt und mir einen Schlag auf die Wange gibt. Ich werde von der Wucht zur Seite geschoben. <Heute kein Abendessen und Strom> schreit er, während er wütend mein Zimmer verlässt. Ich lebe noch – das ist doch positiv oder? Ein schmerzender Körper und eine schmerzende Gesichtspartie – eine gute Ausbeute für den Tag. Ich fahre meinen Laptop herunter um den Akku zu schonen. Ich lege mich in mein Bett. Mein ganzer Körper schmerzt. Ich stelle meinen Handywecker auf 01:00. Wenn ich in der Nacht aufstehe, kann ich mein Handy heimlich laden, nur erwischt werden darf ich nicht. Ich lege mein Handy neben mein Bett. Ich ziehe die Bettdecke zu mir und kuschle mit einem Kissen. Das Kissen gibt mir ein Gefühl von Geborgenheit. Ich fühle mich nicht komplett alleine. Doch die Fragen in meinen Kopf verhindern mein Einschlafen. Warum? Was mache ich falsch? Warum schlägt mich jeder Mensch? Warum hat keiner so etwas wie Empathie? Oder Menschlichkeit? Oder heißt Mensch sein, exakt dieses Verhalten? Bin ich tatsächlich ein Freak, der nichts Besseres verdient hat? Vielleicht ist es so und ich sollte mich damit abfinden. Ich der Untermensch?

[…][60]

Mein Wecker klingelt. Ich suche mein Handy im Bett. Ich hatte noch Videos auf YouTube geschaut. Ich konnte nicht schlafen. Ich fühle mich so unwohl in diesem Haus. Ich habe es gefunden und deaktiviere den Alarm. Ich greife nach meinen Kissen und kuschle mit ihnen. Ich möchte nicht aufstehen. Ich möchte einfach für immer und ewig schlafen. Ich zehre mich nach einigen Minuten aus dem Bett. Ein neuer Tag in meinem Leben. Nachdem ich mich angezogen habe und mein Handy an das Ladekabel angeschlossen habe, gehe ich wie ein Zombie in die Küche. Meine Eltern sind auf Geschäftsreise, das heißt keine Diskussionen mit ihnen. Ich bin ja das böse Kind, ich könnte so viel aus meinem Leben machen. Ich hole aus dem Brotkorb das geschnittene Brot und nehme mir einige Scheiben. Aus dem Kühlschrank hole ich mir die Marmelade. Anschließen noch ein Brett und Messer und lege alles auf den Tisch und setze mich. Ich frühstücke in Ruhe und verlasse anschließend die Wohnung.

Heute ist der letzte Tag vor den Ferien, daher haben wir nur die ersten vier Stunden Unterricht. Ich werde nicht mehr lange brauchen, bis die ersten KlassenkameradInnen wieder in meiner Nähe sind. <Freak> schreit der erste von ihnen. <Hallo Es> eine andere. Zwei Personen gehen langsamer, so dass ich aufholen würde. Allerdings verringere auch ich mein Tempo. Die ersten Schmerzen bitte erst in der Schule. Nicht schon jetzt. Schmerzen sind wunderbar – sie zeigen mir, dass ich noch am leben bin. Die beiden Personen bleiben stehen – Das wird ja ein toller Tagesanfang. Die beiden lachen. Als ich auf ihre Höhe komme, beginnen sie mich zu schubsen. Beim vierten Schubser kann ich nicht mehr rechtzeitig reagieren und falle auf den Boden <Na, willst du deinem Freund Hallo sagen?> sagt der Junge lachend. <Nein, es sagt Hallo zu seiner Wohnung> erwidert das Mädchen lachend. Ich bleibe liegen. Mir fehlt die Kraft zum Aufstehen. Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Die Gruppe freut sich und geht weiter und lässt mich am Boden liegen, währenddessen machen sie weiter Witze und freuen sich über ihre nicht vorhandenen geistigen Fähigkeiten. Ich fühle mich verloren, alleine in einem Universum. Ich fühle mich als würde mein Herz aufhören zu schlagen, diese Schmerzen sind abartig. Ich versuche nicht Wahnsinnig zu werden, glaube aber darin gerade zu versagen. Ich rapple mich langsam auf. Menschen sind Gewohnheitstiere, wenn körperliche Schmerzen Gewohnheit sind, dann tuen irgendwann, diese Schmerzen auch nicht mehr so weh.

Ich lehne mich gegen eine Wand des Schulgebäudes. Ich habe mich etwas abseits hingestellt und warte darauf das der Unterricht beginnt. Ich möchte nicht in dieses Gebäude, also gehe ich da auch erst so spät wie möglich rein. Heute werden sowieso nur Filme angeschaut. Zum Glück, dann sind sie wenigstens beschäftigt. Die Schulglocke klingelt und ich gehe hinein durch die Tür und zu meinem Klassenzimmer. <Die Lehrkraft verspätet sich> höre ich eine Klassenkameradin sagen, kurz bevor ich am Klassenzimmer ankomme. Ich überlege ob ich an der Ecke warten soll, bis die Lehrkraft kommt. Als ich auf einmal die widerlich vertraute Stimme von Tom höre. <Hallo ES! Warst du wieder am Altkleidercontainer?> höre ich ihn schon von weitem schreien. Nur weil seine Hose ein halbes Vermögen kostet, ist es auch nicht mehr als ein Kleidungsstück. <Warum bist du denn so schweigsam?  Kannst doch ruhig Ja sagen.> sagt er, als er und seine Gruppe näher zu mir gekommen waren. <Tom, du musst warten. Es ist doch nicht so schlau> sagt jemand lachend aus seiner Gruppe, eine andere Person fragt <Ist es eigentlich Stubenrein?>. <Mach sitz!> fordert mich Tom auf. Ein Tier. Vielleicht bin ich das. Ein willenloser Haufen Moleküle. Aber so viel Niveau habe ich noch? <Ich glaube es hat keine Gehirnzellen mehr> sagt eine weitere Person aus der Gruppe, während ich nachdenke. Diese Menschen, haben sie Recht? Bin ich tatsächlich, wie sie es beschreiben? Ich verdränge die Gedanken. Nur noch 3 Stunden, und dann ist es auch wieder vorbei. In einem kurzen Moment der Unachtsamkeit beginne ich mit dem Rennen zum Klassenzimmer. Nicht jetzt. Nicht schon wieder. Ich bin erfolgreich am Klassenzimmer angekommen, als auch die Lehrkraft um die Ecke kommt und mich ermahnt nicht zu rennen. Also merkt euch: Rennen ist böse, alles andere nicht.

Die Filme sind gleich zu Ende. Ich bereite mich vor, gleich aus dem Klassenzimmer zu stürmen unter den ganzen verschiedenen Personen falle ich dann nicht auf und kann das Gebäude schnellstmöglich verlassen. <Ding Dong> Ich sprinte zur Tür, während die Lehrkraft noch irgendwas sagt. So wichtig kann es nicht sein. Ich verlasse das Schulgebäude und -gelände. Als Erstes das Gelände verlassen, dass heißt ich muss mir diese Menschen nicht antuen. Ich gehe zu meinem kleinen Versteck. Ich habe es per Zufall gefunden und fühlte mich direkt wohl dort. In dem Wald in der Nähe unserer Stadt. Es ist ein Ort mit vielen Büschen und im Zentrum dieser großen Büsche ist ein Hohlraum. Von außen eigentlich nicht zu erkennen.

Geborgenheit, Sicherheit. Ich mag mein Versteck. Ich fühle mich hier wohl. Durch das Laub und die Äste scheint die Sonne. Ansonsten keine Geräusche, keine Stimmen. Ich. Ich fühle mich wohl. Ich habe mir in der Früh einen Podcast auf mein Handy geladen. Ich packe meine Kopfhörer aus und schließe sie am Handy an. Ich freue mich auf den Podcast. Es geht um das Thema Roboter und Künstliche Intelligenz und trägt den Namen <Roboter – Das Warum des Menschens>.

Nehme Mensch an, ein Roboter hätte einen menschlichen Verstand, was würde er machen und wie? Er kann menschliche Konzepte nicht verstehen. Woher soll er wissen, was Geschlecht und Geschlechtsidentität ist? Woher soll er wissen, was gut aussieht? Woher soll er wissen, was richtig und falsch ist? Was würde für ihn die Harr- oder Hauptfarbe bedeuten? Würde der Roboter in unserer Gesellschaft anecken? Wie würden die Menschen ihn behandeln? Verstehen. Verstehen. Der Roboter kann das nicht. Sachen, welche für ihn überflüssig sind, warum sollte er sie verstehen? Aber sind nicht viel mehr die Menschen Roboter? Sie folgen Richtlinien und Regeln. Sie ignorieren sich selbst. Willenlos, jeden Tag das gleiche. Jene, die ihr Leben selbst gestalten, erfahren mit Schmerz, dass die Gesellschaft von ihnen erwartet ein Roboter zu sein. Kalt, Gefühlslos, Empathielos jeden Tag das gleiche machen. Was passiert, wenn der Roboter menschlicher wird als die Menschen?

Ich fange an zu weinen. Die Fragen beschäftigen mich. Ich frage mich, könnte ein Roboter so etwas wie Liebe, Freundschaft, Einsamkeit oder Angst fühlen und verstehen, und wie würde er damit umgehen? Liebe und Freundschaft kenne nicht mal ich und ich wurde als Mensch geboren. Angst und Einsamkeit verfolgen mich zu jederzeit. Es ist als würden sie mich durchgehend beobachten und nur darauf warten, mich zu verletzten. Ich bin ein schlechter Mensch. Ich habe nichts Besseres verdient.

Eine Nachricht. Von meinen Eltern. Ich soll nach Hause kommen. Ich darf wieder erleben, dass ich ein Mensch bin. Ich möchte aber nicht. Dieser Ort ist mein Heiligtum, mein Bunker. Mein Schutz vor dem da draußen. Mein Schutz vor mir selber. Ich beschließe diese Nachricht zu ignorieren. Ich bleibe hier. Ich höre den Podcast weiter, während meine Eltern mich weiter anschreiben. Andere Menschen schreiben mich nicht an, Freunde habe ich keine. Und die IdiotInnen habe ich blockiert, nachdem ich bestimmte Nachrichten von ihnen bekommen habe. Diese Nachrichten waren, wie Messer. Im Meer von Messern, schneidet sich der Mensch. Und mit dem ersten, werden es immer mehr. Und mehr. Mehr. Bis die Messer auf dem Blut schwimmen.

Es ist Abend geworden, meine Eltern haben mittlerweile über 40 Nachrichten geschrieben und 10-mal angerufen. Ich bin auf dem Weg nach Hause. Mein Unbehagen, wird größer, je näher ich an meinen Wohnort komme. Ich wäre jetzt gerne ein Roboter. Dann wäre es mir egal, was gleich passiert. Ich öffne die Haustür. Während ich in das Haus gehe, höre ich meine Eltern aufstehen im Wohnzimmer. <Ach ist der feine Herr auch mal wieder zuhause> faucht mich meine Mutter an. <Für was hast du ein Handy, wenn du nicht darauf antwortest!> schreit mich mein Vater an. Ich ziehe meine Schuhe aus und stelle meinen Rucksack hin. <Wir haben einen Anruf von der Schule bekommen> sagt meine Mutter sichtlich sauer. <Du weißt bestimmt weshalb!> fügt sie an. <Keine Ahnung> antworte ich in einem ruhigen Ton. Ich möchte keine Eskalation, jede Stufe mehr, wäre eine Stufe näher an Tod. Meine Mutter sieht mich böse an und schreit mich an <Du bist Versetzungsgefährdet! Was kannst du überhaupt!>. <Wie kannst du dein Leben so verschwenden!?! Du bist ein nichts! Erreiche etwas in deinem Leben, bevor du irgendetwas von „Du möchtest du sein“ faselst> schreit mich mein Vater an. <Warum, darf ich denn nicht ich sein? Warum interessieren euch denn die Noten mehr als Ich?> antworte ich. Ich muss meine Tränen zurückhalten. Die Prioritäten meiner Eltern. Ich, das Tier egal. Ich bin ja nur ein Freak. Ich das Nichtsnutz. Ich kämpfe jeden Tag. Jeden Tag verliere ich. Aber sie haben die Probleme. Aber sie verstehen was ich erlebe. <Dann erreich doch erstmal was! Du hast ab jetzt Hausarrest und Stromverbot!> schreit mich meine Mutter an. <Wenn ihr meint> erwidere ich. <Wir wollen doch nur dein bestes!> schreit mein Vater wütend. <Das ist aber nicht das Beste für mich> erwidere ich scharf und mit lauter Stimme. Diese Antwort gefällt meinem Vater gar nicht und er holt aus um mich zu schlagen. Ich bemerke dies und weiche seinem Schlag aus. Ich versuche in die Richtung meines Zimmers zu kommen. Das macht ihn aber nur noch saurer.  Während mich meine Eltern weiter anschreien und mein Vater mehrfach versucht mich zu treffen, komme ich in die Nähe meines Zimmers. Aber das haltet ihn nicht auf. Als ich einen kurzen Moment nicht aufpasse, werde ich von ihm auf das Bett geworfen. Ich kann mich aus dieser Situation nicht mehr befreien und muss mir einen Schlag nach den nächsten gefallen lassen. <Das ich dich meinen Sohn nennen muss, ist eine Schande für die ganze Familie> schreit er, als er immer noch wütend mein Zimmer verlässt.

Die Tür ist zu. Ich nehme mein Lieblingskissen und fange an zu weinen. Die Tränen rollen meine Wange herunter. Warum? Warum bin ich nur ein Freak? Warum möchte ich frei Leben? Ein Leben. Mein Kissen versteht mich. Es kapiert alles. Es ist immer da. Das Kissen – Mein Freund. Und die anderen Kissen – noch mehr Freunde. In einem Meer aus Freunden. Wenn ich weine, sind sie da. Wenn ich verzweifle sind sie da. Sie stehen mir treu zur Seite. Mir dem Tier.

[…][75]

<Aufstehen der Herr> brüllt mein Vater mich an, während er mich schüttelt. Ich öffne langsam meine Augen. <Du sollst für die Schule lernen und nicht pennen> schreit er, als er mein Zimmer wieder verlässt. Ich will aber nicht aufstehen. Nie wieder. Warum interessiert sich jeder so für den Freak? Kann es ihnen nicht egal sein, was ich tue? <Na, Kissen seid ihr auch wach?> frage ich mein Kissen. Die Kissen, meine Freunde, die mich am besten kennen. Meine letzte Bastion der Geborgenheit in diesem Haus. Ich blicke aus dem Fenster. Ich fange an zu weinen. Nichts. Das ist so schön. Die Sonne strahlt. Meine Burg wartet schon auf mich. Ich quäle mich aus meinem Bett, erst auf alle Vier vor dem Bett und anschließend ziehe ich meinen Körper am Bett hoch. Ein neuer Tag.

Ich ziehe mir längere Kleidung an, da ich ja noch mein Heiligtum besuchen möchte. Ich gehe danach in die Küche, wo meine Eltern bereits frühstücken. Ich setzte mich gerade als mein Vater fragt <Wie weit bist du mit dem Schulstoff?>. <Nicht weiter als gestern Abend> antworte ich, während ich mir meinen Toast schmiere. <Wie willst du jemals den Stoff aufholen! Streng dich doch mal mehr an> jammert mich mein Vater an. Ich halte es für schlauer, nicht zu antworten. Doch das gefällt ihm auch nicht. <Was kannst du denn überhaupt?> fragt mich mein Vater wütend. <Lass ihn doch, dann lebt er halt auf der Straße> wirft meine Mutter ein. Ich, das böse Kind. Nichts mache ich richtig in meinem Leben. <Straße, das wäre ja himmlisch gegen das hier> antworte ich genervt und leicht wütend und zeige mit meinem Finger herum. Meine Mutter und Vater finden diese Antwort wohl zu ehrlich. Bevor ich reagieren kann, gibt mir mein Vater den ersten Schlag auf die Wange. Ein zweiter Schlag folgt auch direkt. Check: Minderwertig sein. Check: Schläge. Es beginnt gut. <Wir haben so viel für dich getan, wie kannst du nur so ein Rabenkind sein> schreit mich mein Vater an. <Du kannst ja gehen, wenn es dir nicht passt> ergänzt meine Mutter sichtlich wütend. <Okay, Bye> erwidere ich wütend und stehe auf und gehe zur Tür. Während meine Eltern hinter mir herumschreien, wie ich nur könnte und was mir einfiele, ziehe ich meine Schuhe an, nehme die Schlüssel und verlasse das Haus. Auf meinem Handy aktivierte ich den Flugzeugmodus, ansonsten würde es gleich Vibrator spielen.

Ich bin angekommen in meinem Versteck. Dieses Gefühl von Geborgenheit, wenn ich es betrete, ist nicht mit Worten beschreibbar. Es ist meins. Mein Ort. Ich fange an zu weinen. Dieser Ort gibt mir die Sicherheit, die ich brauche. Der Ort der Sicherheit um meinen Problemen ins Gesicht zu sehen. Ich lege mich auf den Boden und bemerke, wie die Sonnenstrahlen auf mein schmerzendes Gesicht treffen. Es ist so schön. Ich schaue verträumt in die Blätter und beginne zu schlafen.

Mit <Hallo Freak> wurde ich sehr unfreundlich aus dem Schlaf geweckt. Über mir lehnt Tom, neben ihm steht seine Gefolgschaft. Ich versuche sofort mich aufrecht hinzusetzen, allerdings war ich nicht schnell genug und zwei Personen halten mich auf den Boden. <Nana, du kannst doch dein Freund nicht einfach so verlassen. Der Boden hat doch auch Gefühle> sagt Tom lächelnd, während er mit einer Hand etwas Erde sammelt. Diese Erde lässt er anschließend auf mein Gesicht rieseln und verteilt diese anschließend mit der anderen Hand auf meinem Gesicht. Ich habe die Augen und den Mund geschlossen um mich vor der Erde zu schützen. Während er sich mit mir beschäftigt, hat seine Gefolgschaft, das Versteck zerstört. <Na genießt du es auch, Freak> fragt mich einer dieser Personen. <Freak, freu dich! Du bekommst eine kostenlose Massage> sagt Tom lachend, während er aufsteht. Die Anderen beginnen damit auf mich einzutreten. Der Erste. Der Zweite. Immer mehr. Ich als Tier habe zu tun, was die anderen sagen. Ich habe keine Rechte. Meine Aufgabe ist das dienen. Ich will nicht mehr. Mein Herz schmerzt. Ich habe aufgegeben. Was zeichnet mich als Person noch aus? Habe ich nicht schon mit Leben aufgegeben? Ich fühle keinen Hass, aber auch keine Freude. Ich bin Tod, nur mein Körper lebt.

[…][ERROR]

Projekt: Max | Client: Sidney

Execution time: First boot: 95 Days | First client interaction: 75 Days


Error: Connection lost to client after unplanned event

Last client error: Main cable(0x00306075) is broken in region: Neck.

Probably last run: Emergency system task: Human interaction: Die


Last content of client memory:

“The body dies loudly, the humans dies quietly. You are not alone. Not all humans are completely bad. Some want to support you to be yourself. Be proud. Be proud of yourself.”

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