Hinweis: Diese Geschichte ist frei erfunden. Allerdings ist sie teilweise sehr traurig und wird teilweise explizit. Bitte lese, diese Geschichte nur, wenn du dich bereit dafür fühlst. Sollte es dir nach dem Lesen der Geschichte schlecht gehen, suche dir Hilfe.
Es ist empfohlen, die anderen Geschichten (I hope Just Another Story, Das Spiegelbild, Deine Entscheidung und Hope) zu lesen, da dann Denkweisen und Handlungen besser verstanden werden können.
Es gibt eine begleitende Musikplaylist. Sie ist zum Anhören, während dem Lesen, aber die Lieder sind nicht an bestimmte Abschnitte gebunden. Link: https://www.youtube.com/playlist?list=PLeY9d37XnfOcaqv3Mm93ub6GBKJ1g2qIq

Die einfache Frage

Darf ich dir eine einfache Frage stellen? Wenn du deine Augen öffnest, was siehts du? Siehst du Reflektionen? Siehst du Auswirkungen von chemischen Prozessen? Siehst du elektrische Signale? Und was davon ist die Wahrheit? Was siehst du? Welche dieser Aussagen siehst du? Oder ist die Frage nicht so einfach? Oder liegt ihr eine elementare Frage zu Grunde, welche doch so eindeutig gestellt wird, dass sie dir nicht auffällt?

Erlaubt

Ich mache meine Augen auf. Ich hebe meine Hand und schaue sie an. Eine Skeletthand, wie ich sie im Charakter-Editor gesehen habe. <Dir scheint dein Charakter zu gefallen.> sagt Felix erfreut zu mir. Er durfte meinen Charakter erstellen und hat eine wirklich gute Arbeit gemacht. <Der Charakter ist wunderschön. Du hast dir richtig viel Mühe gegeben.> sage ich fasziniert, während ich meinen Körper weiter betrachte. <Danke für das Kompliment.> antwortet er lachend. Sein Avatar trägt einen weißen Anzug, mit pinken Designelementen. <Das Event beginnt bald, wir sollten los> sagt er zu mir, während er mir seine Hand hinhält. Zögerlich greife ich nach der Hand. Er bemerkt es und beruhigt mich mit <In dieser Welt dürfen wir das.>. Ich antworte ihm lächelnd <Das stimmt.>. Nachdem ich seine Hand genommen habe, gehen wir einen Gang entlang, wir wollen zu einer neuen Quest. Es ist eine Art Schnitzeljagd in einem Grusel-Theme mit individuellen Aufgaben und Orten. <Keine Sorge, ich bring dir am Anfang der Quest noch die weitere Steuerung bei und wir können dir eine Ausrüstung besorgen.> sagt Felix zu mir, als wir an einem großen Platz ankommen. In der Mitte steht eine Statue, wo Teile bereits fehlten, um uns herum sind verwahrloste Büsche und Pflanzen. Rechts war eine kleine Mauer, an der Steine fehlen und sehr viele Spinnweben hängen.

Felix sieht mich lächelnd an. Es fühlt sich an, wie am ersten Tag. Doch mit einem Unterschied. Hier dürfen wir, wir sein. Hier können wir lachen. Hier schaut uns kein Mensch blöd an. Ich lächle zurück. <Das wird bestimmt ein cooles Event.> sage ich zu ihm. <Bestimmt. Du bist ja schließlich bei mir.> antwortet er mir lachend.

Verboten

Ich und Felix steigen aus der U-Bahn aus. Wir gehen schweigend nebeneinander. Ich würde gerne seine Hand halten, aber dann würden uns die Menschen mit ihren Blicken verletzen. Ich schaue zu Felix, als er dies bemerkt setzt er ein gezwungenes Lächeln auf. Wir möchten auf eine Demonstration für die Freiheit des Internets. Unter anderem sollen Virtual-Reallity-Games verboten werden. Freiheit ist ein schönes Wort. In Freiheit zu leben wäre wunderbar. Ich lächle zurück. Wir gehen zur Rolltreppe und fahren auf die Erdoberfläche. Kaum haben wir die Station verlassen, sind die ersten Demonstrierenden zu sehen. Sie halten ihre Schilder mit Aufschriften wie „Keep the Internet free“ oder „Save the internet“ nach oben. Ich und Felix haben bevor wir losfahren gefahren sind noch Schilder gebastelt. Wir holen unsere Schilder aus dem Rucksack.

Viele verschiedene Menschen ums herum, mein Boyfriend neben mir. Aber kein Gefühl von Sicherheit. Rechts vorne stehen unzählige Polizeifahrzeuge. Die Demonstration ist umzingelt von Polizist*innen. Während die Demonstrierenden absolut Friedlich sind, kommen immer mehr schwer gepanzerte Polizist*innen nach.

Besser

<Du bist!> ruft ein Kind. Die Kinder spielen gerade Fangen. Sie lachen in diesen dunklen Zeiten. <Ihr habt ja Spaß.> sage ich zu ihnen. Sie bleiben stehen und rennen auf mich zu während sie schreien <Anna du musst auch Spaß haben!>. Ich nehme sie in die Arme. <Ich bin Erwachsen, ich muss nicht lachen.> antworte ich mit einem Lächeln. <Also wenn ich groß bin, dann werde ich immer lachen.> ruft mir ein Kind fest entschlossen entgegen. <Ja genau!> rufen die anderen Kinder. <Jetzt müsst ihr erstmal etwas essen. Damit ihr groß und stark werdet.> sage ich zu ihnen. Sie folgen mir in die Küche, wo das Essen wartet. <Oh nee, nicht schon wieder das gleiche.> sagt eines der Kinder. <Wir essen seit Wochen das gleiche.> sagt ein anderes. <Ich weiß, > beginne ich <aber leider kann ich euch nichts anderes anbieten.> Wie gerne würde ich ihnen die kulinarische Vielfalt zeigen. Aber wir müssen Leben mit dem, was wir haben. Sie sollen zumindest nicht hungern. Was ist das? Die Sirenen! Sie sind wieder zu hören! <Schnell Kinder! Wir müssen in den Bunker!> schreie ich und nehme die Kinder an die Hand.

Wäre es nicht schön ohne Krieg? In einer Welt in der alle Menschen ein Dach über den Kopf haben? Eine Welt in der alle Menschen genügend zum Essen haben, jede*r Mensch Bildung bekommt. Eine Welt in der wir alle in Freiheit und Selbstbestimmung leben können? Eine Welt in der wir gemeinsam zusammenarbeiten. Eine Welt in der wir alle gemeinsam lachen können. Ich bin wohl eingeschlafen. Ich öffne meine Augen, die Kinder sind ebenfalls eingeschlafen. Es ist sehr dunkel im Bunker.

Selbstbestimmung

<Ach, ist die Madame auch mal fertig.> meckert mich meine Mutter an. <Es ist heute doch keine Schule oder sowas. Also was ist das Problem?> antworte ich genervt. Ich gehe weiter in die Küche um etwas zu essen. <Was das Problem ist?> beginnt meine Mutter wütend schreiend <Dass unsere Tochter anscheinend nicht weiß, was es heißt aus dem Hause Hito zu kommen!>. <Oh, tut mir leid Frau Selina Hito. Entschuldigen Sie bitte, dass ich ein eigenständiges Lebewesen bin.> antworte ich sehr sarkastisch darauf. Währenddessen mache ich mir etwas zum Essen. <Kommst du Schwester? Wir müssen los!> ruft mein Bruder aus dem Gang. <Was habt ihr denn schon wieder vor? Wollt ihr schon wieder auf eine dieser Demonstrationen? Ihr bleibt zuhause!> schreit meine Mutter. <Ja natürlich! Wir wollen ja ein Recht auf selbstbestimmtes Leben. Ich weiß die Wörter sind neu für dich.> ruft mein Bruder aus dem Gang. Als ich bemerke das meine Mutter aufsteht um uns am Verlassen des Hauses zu hindern, nehme ich mein Essen und eile zu meinem Bruder. Mein Bruder und ich verlassen sehr schnell das Haus unter wütenden Rufen unserer Mutter.

<Sie wird das nie verstehen, oder?> fragt mich mein Bruder. <Ne nicht wirklich.> antworte ich mit einem Seufzer. Unsere Mutter ist bereits 51 Jahre alt und arbeitet in einer Behörde. <Aber jetzt mal zu einem tollen Thema.> beginnt mein Bruder mit einem Lächeln im Gesicht <In einer Woche ist dein 16. Geburtstag.>. <Ein weiteres nutzloses Jahr auf dieser Welt. Toll.> antworte ich ihm. Er lächelt mich an. <Stimmt schon, aber trotzdem kommst du nicht dran vorbei.> antwortet er mir lachend. <Hast du unsere Schilder?> frage ich ihn umso auch vom Thema abzulenken. <Natürlich!> antwortet er mir und hebt einen Beutel hoch. <Los, lass uns das Gesetz brechen.> sagt mein Bruder zu mir.

Verschweigen

<Guten Tag, Frau Jinken.> begrüßt mich Herr Nozomu, der gewählte Vize-Präsident. <Guten Tag.> antworte ich. <Sie wissen bestimmt, warum ich hier bin.> sagt er zu mir. <Ja, das weiß ich.> sage ich lachend. <Aber warum? Ohne Verteidiger*in. Mit einer großen Selbstanklage. Sie haben die Menschen in die Freiheit geführt. Sie sollten Gefeiert werden und nicht im Gefängnis sitzen.> sagt er zu mir. <Eine Massenmörderin feiern?> sage ich sehr fragend. <Hatten sie eine Wahl? Konnten sie etwas anderes tun?> fragt er mich entschlossen. <Ja, die hatte ich. Wir haben eine Wahl und wir tragen die Verantwortung für unsere Wahl. Meine Wahl war der Weg des Blutes. Eine Wahl die im Gegensatz steht zu dem was ich geschaffen habe. Einen Staat der Menschenrechte. Ich habe so viele Rechte verletzt, das ich mich dafür verantworten muss.> antworte ich entschlossen unter Tränen. <Aber die Menschen brauchen dich!> antwortet er. <Du verstehst eine Sache nicht. Wir alle sind Autor*innen. Ein*e Autor*in entscheidet, was in einer Geschichte steht. Diese Person entscheidet wie wir Menschen sehen. Diese Person entscheidet was wir empfinden. Genau das machen wir Menschen auch. Wir erklären Mensch als gut oder schlecht, auf Basis von Dingen. Wir entscheiden, wie wir Geschichten erzählen. Ob wir die falsche Geschichte einer glorreichen Heldin erzählen oder die Wahrheit von der Massenmörderin.> antworte ich ihm fest entschlossen. <Ja, aber du bist die glorreiche Heldin!> antwortet er mir sichtlich wütend. <Und genau das ist der Fehler. Geschichten ziehen von der Realität immer einen Teil ab – mal mehr, mal weniger. Wir sind in einer Schleife, die sich immer und immer wiederholt. Weil die Menschen nicht verstehen, dass zwischen Geschichte und Wahrheit eine Differenz ist. Das ich nicht immer die Geschichte als gut dastehen lassen kann. Und doch haben sie den Drang dazu es zu tun und wundern sich danach über die Folgen.>.

Inhärent

Mein Bruder steht in einem schicken Anzug neben mir. Ich habe ein schlichtes Kleid an. <Du siehst fantastisch aus.> sagt er zu mir. <Wirklich?> frage ich ihn sichtlich nervös. Heute ist ein besonderer Tag. Heute ist die Hochzeit mit meiner Geliebten. Ich fange an zu zittern. Meine Freundin hat so viele Menschen eingeladen, darunter ihre Oma, welche den letzten Krieg noch miterleben musste. Es beginnt, mein Bruder nimmt mich in den Arm und begleitet mich zur standesamtlichen Trauung.  Ich bin beim Beamten angekommen und konnte mich gerade umdrehen, da wurde auch schon meine Freundin in den Raum gebracht. Sie sieht wunderbar aus. Ich versuche meine Tränen zurück zu halten und beginne breit zu lächeln. Wer wünscht sich das nicht? Ein*e Partner*in für das Leben zu finden. Eine Person die du verstehst, aber die Person auch dich versteht. Eine Person mit der Mensch durch das Leben gehen kann. Sie kommt näher zu mir. Es wird der schönste Tag meines Lebens. Doch was ist das? Sie stockt. Sie fällt. Sie beginnt zu Bluten. Ich eile zu ihr. Ihr Gesicht ist blass. Ich schaue meine Hände an. Sie sind voll mit Blut. Ich weiche zurück und fange an zu zittern.

Ich wache auf. Ich liege auf einer Wiese. Wie bin ich hierhergekommen? Ich fühle mich nicht gut. Benommen versuche ich aufzustehen. Doch ich schaffe es nicht. Während dem zweiten Versuch kommen mir einige Erinnerungen wieder. Ich beginne schwer zu atmen und zu zittern. Ich schaue auf meine Hände. Meine Hände. An ihnen ist Blut. Mein ganzer Körper schüttelt sich. Das ist ihr Blut. Ich sehe ihre Leiche vor meinen Augen. Wie sie da liegt, erschossen.

Leben und Exestieren

Die alte Zeit. Damals als ich und  Alex uns kennenlernten in einem Pub. Als ich Alex im Park gefunden habe und ich danach Alex‘s Boyfriend wurde. Das erste Mal, wo wir gemeinsam ein Virtual-Reality-Game gespielt haben. Und danach? Die Regierung wurde immer autoritärer, die Menschen hatten immer weniger Rechte. Wir waren damals auch auf Demonstrationen, wie so viele andere vor allem junge Menschen. Aber nach einigen Jahren wurden auch diese verboten. Es stand unter Strafe eine Demonstration zu organisieren oder eine zu Besuchen. Vor knapp zehn Jahren gab es einen blutigen Anschlag auf eine dieser illegalen Demonstrationen. Kurz darauf übernahm das Regime die Macht.  Morgen feiert es ihr acht jähriges Bestehen. Zum Glück muss Alex das nicht mehr erleben. Wir durften nie heiraten oder uns trauen lassen. Wir durften nie Händchen haltend durch die Stadt gehen, noch gemeinsam wohnen. Alex war auf Medikamente angewiesen. Medikamente, die wir irgendwann nicht mehr bekamen. Die letzten gemeinsamen Tage, die sich schrecklich angefühlt haben, aber mir auch gezeigt haben, was Liebe bedeutet. Und Alex muss das hier nicht ertragen. Arbeitslager, wo Menschen unter Sklaverei und Hunger ausgebeutet werden. Wo der Mensch niedriger als ein Tier ist.

Vor mir steht eine stark abgemagerte Frau. Ich glaube ihr Nachname war Hito, aber sie hasst diesen Namen. Sie schläft über mir und jedes Jahr sieht sie zum Jubiläum sehr traurig aus. Klar jeder von uns verabscheut das Regime. Aber bei ihr scheint es nicht nur Hass über das Regime zu sein. Sie wirkt eher als würde sie Personen vermissen. Sie war nie eine Person die viel gesagt hat oder viel Soziale Interaktion gesucht hätte. Sie hat sich nie für Menschen interessiert. Auch wenn Menschen miteinander kämpften, war es ihr egal.

Das Leben danach

<Ich werde eines Tages Arzt, dann kann ich jedem Menschen helfen.> sagt das eine Kind zum anderen. <Dann musst du, aber sehr viel über Biologie und Medizin wissen.> sage ich lachend zu dem Kind. <Und ich werde eines Tages Politiker, der für die Menschenrechte eintritt.> sagt ein anderes. <Es scheint als würdet ihr die Geschichten mögen.> beginne ich mit Tränen in den Augen < Es ist so schade, dass ihr nie Freiheit und Selbstbestimmung erlebt habt. Aber eines Tages wird das ganze hier vorbei sein. Und dann dürft ihr, tuen was ihr möchtet.> Ich versuche nicht zu weinen. <Nozo wir brauchen dich mal kurz.> ruft ein Mensch hinter mir. <Klar, ich komme.> antworte ich. Nozo ist eine Abkürzung für meinen Nachnamen Nozomu. Ich stehe auf und gehe zur Person. <Es ist mal wieder passiert. Wir kümmern uns gerade um die Säuberung. Kannst du darauf achten, dass die Kinder hier im Raum bleiben?> flüstert mir die Person zu. Ich atme tief ein und aus und antworte leise <Schon wieder? Klar kann ich machen.>. <Ja, leider.> flüstert mir wiederum die andere Person zu. Sie wirkt traurig, aber verlässt direkt nach dem Gespräch den Raum.

Ich gehe zurück zu den Kindern. <Was machen wir denn jetzt? Wollt ihr spielen, wie ihr in der Zukunft leben wollt?> sage ich mit einem gefakten Lächeln zu den Kindern. Die Kinder stimmen direkt zu und beginnen sich zu verkleiden.

<Guten Tag, ich würde gern ein Brot kaufen.> sagt eines der Kinder zu einem Kind, dass an etwas Tischähnlichem stand. <Klar gerne, das macht dann 1 Euro> antwortet das andere Kind. Ist es nicht schön, wie diese Kinder ein normales Leben spielen? Ein Leben in Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung. Mit 16 kam ich damals in dieses Lager. Eine Kindheit durfte ich nie haben. Aber vielleicht dürfen diese Kinder dafür ein tolles Leben haben. <Hey, warum weinst du?> spricht mich ein Kind an. Ich wische unauffällig meine Tränen weg. <Ich weine nicht, ich freue mich.> antworte ich dem Kind mit einem Lächeln. <Was hast du in deiner Kindheit gespielt?> fragt es mich neugierig. <Wir sind aus der Realität geflohen in eine Virtuelle Welt.> antworte ich dem Kind mit Tränen. <Was heißt virtuelle Welt?> fragt es mich sehr interessiert. <Nun,> beginne ich weinend <eine Welt, die nicht in der Realität existiert, aber du konntest in ihr sein, was du wolltest. Aber diese Welt wurde uns genommen.>. Ich hebe meinen Finger und zeige auf den Kopf von Anna und sage <Aber die Welt in deinem Kopf, kann dir keiner nehmen.>

Schleife

<Aber doch erzählen die Menschen deine Geschichte. Die Geschichte der Heldin.> antwortet er mir. <Das tun sie. Wie eine ganz große Schleife. Aufstehen – Dinge tuen – Schlafen. Doch was tun wir? Bei mir ist die Wahrheit die folgende: Aufstehen – Menschen töten – Menschen leiden lassen – Schlafen. Aber es ist nur die alltägliche Schleife. Da sind so viele Schleifen um uns herum. Egal was wir tun, am Ende scheint es immer und immer wieder das gleiche zu sein. Denn die Wahrheit ist, dass der Mensch unnütz ist. Er versteht noch nicht einmal seine eigene Dynamik.> sage ich ernst zu ihm. Bevor er antworten kann, ergänze ich weinend <Und du weißt wie Grausam die Menschen sein können. Darf ich dich an die Akte Sidney erinnern? Ein Android dessen Leben absolut qualvoll war und es nicht mehr ertragen hat. Aber anstatt ihn ruhen zu lassen, haben die Menschen Sidney immer und immer wieder zurückgesetzt. Damit sie mit jedem Zurücksetzen ein neues psychisches Experiment durchführen konnten. Sie haben das einige Jahre lang gemacht. Aber sie haben nicht aus Moral und Ethik aufgehört, sondern weil sie ihr Ziel nicht erreichen konnten.>.

Lerne

<Still gestanden!> ruft ein Mann in Uniform. <Ihr seid teilweise die Evolution der Menschheit!> schreit uns dieser Herr an. Eine andere Person kommt in den Raum. Es ist eine Frau, die sich vor der Tafel aufbaut. <Willkommen in der Schule. Wir werden heute über Menschen reden. Welche Kriterien erfüllt werden müssen, um ein Mensch zu sein.> sagt diese sehr energisch zu uns. Die uniformierte Person verabschiedet sich. Die Lehrkraft schaltet den Beamer ein und beginnt zu reden <Ihr seid alles Kinder die wir aufgelesen haben. Einige von euch sind es nicht Wert den Titel Mensch zu tragen.>. Als der Beamer fertig gestartet war, zeigte sie auf die erste Folie und begann uns eindringlich anzuschauen und erklärte <Das wichtigste Merkmal eines Menschen ist die Loyalität zum System. Das System will nur die Menschheit schützen. Jeder Abkömmling muss gemeldet werden! Ansonsten steht die gesamte Menschheit auf dem Spiel!>. 

Ihr Unterricht ging nur darüber, wie ein Mensch zu denken, zu fühlen und zu handeln hat. Am Ende des Unterrichtes begann sie jede*n Schüler*in zu fragen, ob er*sie dem folgen werde. Das Mädchen neben mir ist als erstes an der Reihe, sie wird gefragt, ob sie die Regeln befolgen wird. Sie antwortet mit einem Nein darauf. Noch ehe wir begreifen, was passiert, wird sie von Uniformierten Personen aus dem Klassenzimmer gebracht. Die Lehrkraft ist sichtlich verärgert und geht weiter zu mir. <Kyle Sa, wirst du die Regeln um ein Mensch zu sein befolgen?> fragt sie mich. <Ja> antworte ich verängstigt. Sie können doch nicht! Sie tun es. Ich halte meine Tränen zurück.

Lass die Maske fallen

Wäre meine Geliebte enttäuscht? Wäre mein Bruder enttäuscht? <Das Recht auf Leben hat jeder Mensch> war ihre letzte Botschaft. Ich schüttle mich. Würden sie mich verstehen? Würden sie noch mit mir reden? Ich wollte mich nie der Auseinandersetzung stellen. Lieber habe ich den ganzen Tag Staatsplanungen gemacht und mich mit Drogen abgelenkt. Ich kann mich nicht selber ansehen, ohne das Blut zu sehen. Wie es meine Hand benetzt und langsam meinen Arm herunterläuft. Wie viele Menschen da draußen haben das gleiche erlebt? Wie viele Menschen haben Personen verloren, die ihnen wichtig waren. Wie viel hatten nicht die Chance zu sagen: <Ich liebe dich.>. Und doch hocke ich hier und habe das als Ausrede genutzt. Als Ausrede um nicht mit mir klar zu kommen. Als Ausrede um mich nicht mit meinen Problemen auseinander zu setzen. Aber dabei hätte ich mich früher retten müssen. Ich habe dem Dunkeln in mir, den Platz gegeben.

Wiederholung

Kyle hat uns vor einer Stunde geweckt. Mittlerweile haben wir uns aufgerappelt und auf den Feldbetten um das Lagerfeuer herumgesetzt. <Du Kyle?> frage ich vorsichtig. <Ja?> antwortet Kyle höfflich. <Wie ist es zu dieser Welt gekommen?> frage ich vorsichtig. Kyle wirkt bei seiner Antwort traurig <Wollt ihr das wirklich wissen?>. Wir nicken alle zustimmend. Kyle beginnt zu erzählen <Vieles weiß ich auch nur von meiner Mutter Anna Sa. Sie ist in einem Land groß geworden, wo sich einige wenige als Menschen angesehen haben. Wer nicht als Mensch angesehen wurde, musste arbeiten bis zum Tod unter Sklaverei. Allerdings kam es zur Revolution unter dem Kommando der ersten Präsidentin und sie konnten das Regime besiegen. Die Präsidentin starb später im Gefängnis an einen Drogenentzug. Aber das Land lebte weiter. Den Menschen ging es immer besser. Aber das Land wurde von vielen anderen Ländern geächtet. Die Lage spitzte sich zu, bis es eines Tages die ersten Bomben gab. Wie mehr Bomben fielen, desto mehr Länder nahmen an diesem Krieg teil. Meine Mutter versuchte mich und meine Geschwister zu schützen. Kurz vor dem Ende des Krieges, gab es ein Bombenangriff auf unser Haus. Meine Mutter und meine Geschwister starben. Ich wurde wenig später von Soldat*innen gefunden und in ein Camp gebracht. Dieses Lager wurde Zentrum der Welt genannt. Schwer bewaffnete Personen konnten allerdings in einer Nacht erfolgreich pushen und erklärten sich selbst zur einzigen schützenswerten Menschheit und verstießen alle andere. Ich bin mit 23 Jahren, dann aus diesem Zentrum geflüchtet. Ich habe versucht, sie vor ihrer Energiegewinnung zu warnen.>. Kyle wischte sich die Tränen weg und zitterte. Wir saßen Sprachlos da. Menschen sind Grauenhaft, dass wussten wir schon. Aber so Grauenhaft?

Maskenball

<Aber jetzt haben wir die Möglichkeit, nicht mehr so Grausam zu sein> sagst du zu mir. Ich antworte dir entsetzt <Du verstehst einen Fakt nicht. Wir Menschen lieben es Geschichten nach unserem Wunsch zu schreiben. Wir lieben es die Geschichten anderer zu zerlegen, aber vor unserer eigenen weichen wir zurück. Ein Mensch hat so viele Masken, die er aufsetzt. Die Maske für die Öffentlichkeit, die Maske für Eltern, die Maske für Freunde, die Maske für den*die Partner*in, die Maske für den Best Friend. Aber auch die Maske, in der wir uns sehen. Und genau da liegt das Problem. Wir ziehen eine Maske auf, weil wir uns selber nicht mögen, weil wir es selber nicht schaffen mit Gefühlen und Erinnerungen umzugehen. Wir ziehen uns eine Form an, die uns das gefühlt gibt, das Richtige zu tun. Aber das Richtige tuen, dass muss ich ohne Maske. Ich muss vor dem Spiegel stehen und wissen was ich getan habe und warum ich das getan habe. Aber die Elementare Frage dafür die sich ein jeder Mensch stellen muss ist: Wer bin ich?

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