Hinweis: Diese Geschichte ist frei erfunden. Allerdings ist sie teilweise sehr traurig. Bitte lese, diese Geschichte nur, wenn du dich bereit dafür fühlst. Sollte es dir nach dem Lesen der Geschichte schlecht gehen, suche dir Hilfe.
Es gibt eine begleitende Musikplaylist. Sie ist zum Anhören, während dem Lesen, aber die Lieder sind nicht an bestimmte Abschnitte gebunden. Link: https://www.youtube.com/playlist?list=PLeY9d37XnfOfYxPVXkp_BS4V7mzjaQ4Ug  

Kind lerne

Das Quietschen der U-Bahn umgibt die Situation. <Halt dich weg von dem Ding!> sagt eine Dame, welche auf einen der Sitze sitzt, energisch zu einem Kind. Das Kind blickt verwirrt und fragend, während die Dame auf eine Person zeigt. <Warum?> fragt das Kind neugierig. <Das ist so eine Verwirrte. Die meint sie wäre ein Kerl.> sagt die Dame zu dem Kind. <Aber er sieht doch nett aus.> antwortet das Kind mit einem Lächeln. Das Kind dreht sich von der Dame weg und geht zu der Person. Die Dame ruft das Kind, doch das Kind schreitet weiter voran. Als es schließlich die Person erreicht, zupft das Kind an der Jacke der Person. <Hallo du, wie heißt du?> fragt das Kind neugierig. Die Person ist zuerst verwundert. Als die Person, das Kind entdeckt hat, nimmt sie die Kopfhörer heraus und beugt sich zum Kind herunter. <Hallo, ich heiße Felix und du?> antwortet die Person freundlich. <Ich bin Manuel.> antwortet das Kind, doch bevor es weiterreden kann, wird das Kind von der Dame zurückgezogen und angeschrien <Ich habe dir gesagt, bleibe weg von dem Ding!>. Während die Dame, dem Kind einen Schlag gibt, sagt sie wütend zur Person <Und sie werden immer eine Frau bleiben!>. Diese Resonanz der Normalität schwebt in der U-Bahn.

Der Alltag und die Realität

Ich liege in meinem Bett. Es ist still. Ich schaue in meinem Zimmer herum. Dann schließe ich die Augen und stelle mir eine tolle Welt vor. Und wieder öffnen sich die Augen. Diese Stille. Dieses nichts tun. Ich lächle, doch dabei will ich weinen. Was bedeutet es die Augen zu öffnen am Beginn eines neuen Tages? Möchten wir nicht mit Freude aus dem Bett springen und uns auf den Tag freuen? Eine Blasphemie. Wo ist Maria an diesem Tag? Nirgendwo. Nach der Stille kommt der Sturm, im Sturm kentert der Mensch doch so gerne. Während der Mensch verzweifelt, ertrinkt er. Ich nehme mein Kissen in die Arme. Ist es nicht merkwürdig, wie Objekte eine Wärme verbreiten können? Wie ein loderndes Feuer in einem Eisblock.

Ich schaue auf mein Handy. So viele Worte und doch keine Nachricht. Es wird langsam Zeit. Ich muss aus dem Bett und erwachen. Meine Stille so halbwegs erhalten? Ich schleife mich aus dem Bett. Ich fange an zu frieren. Von meinem Lebensort zum Wohnort. Ausziehen – Anziehen – Rest egal.

<Schatz, du wirst es nicht glauben. Max hat es auch mal aus dem Bett geschafft!> ruft mein Vater meiner Mutter zu, als ich in die Küche komme. <Was? Er kann auch etwas anderes als Schlafen?> antwortet ihm meine Mutter. Ich ignoriere ihre Worte und gehe weiter in die Küche um mir einen Kaffee zu machen. Während ich mir meinen Kaffee mache, hören meine Eltern Radio. Was genau sie hören, weiß ich nicht – ehrlich gesagt es interessiert mich auch nicht. <Diese Queeren schon wieder. Können die nicht einfach leise sein! Nackt Kinder erschrecken, mehr wollen die doch nicht!> schreit mein Vater wütend. Meine Mutter gibt ihm Recht. Ich habe mir währenddessen einen Teller genommen und beschmiere mir gerade eine Brotscheibe. <Stell dir mal vor, jetzt wollen die so einen CSD in unserer Stadt machen!> sagt mein Vater sichtlich wütend zu mir. <Ja und?> antworte ich genervt. <Was soll das heißen? Man wird als Frau oder Mann geboren und Ziel ist die Fortpflanzung. Das müssen auch die akzeptieren.> sagt er noch wütender zu mir. <Wenn du so Leben willst. Aber es gibt auch andere Menschen und jede*r Mensch ist einzigartig.> antworte ich ihm. <Du bist doch einfach nur uninformiert!> schreit mich mein Vater wiederum an.

Menschliche Wärme?

Ich sitze mit meiner Freundin auf dem Bett. Wir schauen gemeinsam einen Film an. <Deine Eltern werden es nicht mehr lernen, oder Max?> fragt sie mich. <Wahrscheinlich nicht.> antworte ich enttäuscht. <Naja, aber zumindest können wir einen tollen Film anschauen.> erwidert sie mir lächelnd, während sie näher zu mir rutscht. Sie legt ihren Kopf auf meine Schulter. <Ist das so okay?> fragt sie mich und ich antworte ihr <Ja, klar.>. Sollte ich sie anlügen? Ich mag es gar nicht berührt zu werden. Ich selber würde mich nicht berühren. Eine Hülle, die mich umgibt, aber nicht weg geht. Die ich weder berühren noch ansehen möchte. Wenn ich ihn berühre, fühle ich mich fremd. Wie ein Gast. Wie fühlt sich körperliche Zuneigung an? Sollte mein Körper mir diesen Wert jetzt nicht vermitteln?

Dunkel

Eine U-Bahn kann so klein werden. Es fühlt sich an wie mein Zuhause – Meine Anwesenheit nicht willkommen. Meine Ziel-U-Bahnstation wird ausgerufen, ich stehe auf und gehe in Richtung der Türen. Ich blicke auf den Boden, meinen Pullover nach unten gezogen. Das Funkeln verschwand im Nichts.  Es scheint trivial, aber doch gibt es mir ein Gefühl von Sicherheit. Die U-Bahn fährt in die Station ein und die Türen öffnen sich. Ich gehe einige Schritte hinaus. Neben mir geht Felix aus der U-Bahn heraus. <Hey, es tut mir leid, was mit der Frau vorgefallen ist. Alles gut bei dir?> sage ich zu ihm, bevor er seine Kopfhörer wieder in das Ohr tun kann. <Alles gut bei mir. Ist ja nicht das erste Mal.> antwortet er mir mit einem aufgesetzt wirkenden Lächeln. <Übrigens coole Nagellackfarbe.> sagt er mit einem Lächeln zu mir. Schnell ziehe ich meinen Pullover wieder herunter. <Ähm, danke.> antworte ich vorsichtig. <Möchtest du auch zum CSD?> fragt er mich. Ich nicke zögerlich. <Cool, wie heißt du?> fragt die Person mich lächelnd, während wir mit der Rolltreppe in Richtung Erdoberfläche fahren. <Ich heiße Max.> antworte ich. <Wir haben noch Zeit bis es los geht. Ich wohne hier in der Nähe, hast du Lust auf einen Kaffee?> fragt er mich. Ich antworte mit einem Nicken.

Der Angst stellen

Felix steht an der Kaffeemaschine und macht Kaffee für uns. <Darf ich dich was fragen?> frage ich sehr vorsichtig. <Klar, lass mich nur noch schnell den Kaffee fertig machen.> antwortet er mir. <So jetzt.> sagt er, nachdem er 2 Tassen Kaffee auf den Tisch gestellt hat und sich gerade hinsetzt. <Was meintest du vorhin mit <Ist nicht das erste Mal.>?> frage ich vorsichtig. Felix beginnt zu lächeln und sagt in einem ernsten Ton zu mir <Es ist relativ einfach. Ich bin eine Trans*person und ich bekomme in dieser Gesellschaft zwei Wege. Ich kann mich selber verraten und die Person sein, welche die Gesellschaft erwartet oder ich bin ich und lebe damit, dass mich die Gesellschaft ablehnt. Viele der Menschen da draußen, haben Normen und Vorstellungen für mein Leben, obwohl es ihnen nicht gehört. Die menschliche Individualität ist unter dem Würgegriff der Wahnvorstellung einer Gesellschaft, welche es billigend in Kauf nimmt, dass wir unser Recht auf Leben verlieren.> Ich höre ihm gespannt zu während ich meinen Kaffee trinke. Als er fertig gesprochen hat, frage ich ihn <Wie meinst du das mit unser Recht auf Leben verlieren?>. <Wir werden geboren und wachsen auf. Dabei formen wir uns. Je nachdem wie wir uns formen, handeln wir auch. Das mag etwas abstrakt klingen. Ich gebe dir Beispiele. Stelle dir ein Kind vor, dessen Worte nie von den Eltern, Freunden oder anderen gehört wurden. Die Worte wurden immer ignoriert. Das Kind wird nie wirklich gerne schreiben oder sprechen, weil es gelernt hat: <Deine Worte sind nichts wert.>. Das mag schon schlimm klingen, aber stell dir jetzt vor, es sind Worte über die eigenen Empfindungen. Dein eigenes Bewusstsein wird als unwichtig deklariert. Und was gibt es Wertvolleres als dein eigenes Bewusstsein? Ein anderes Thema ist die Angst, die uns hinterlassen wird. Nehmen wir an deine Worte und du waren nie wirklich wichtig. Deine erste Beziehung war toxisch. Welches Bild hast du von emotionaler Bindung? Es steht für Angst. Wir verbinden so viele Ereignisse und Gefühle dann mit Angst. Diese verhindert das wir voranschreiten können. Wie möchtest du eine Beziehung führen mit einer Person, die du liebst? Auf der einen Seite die Gefühle und das Empfinden zu einer Person – die wunderbarer nicht sein könnten und auf der anderen Seite die Angst vor einer toxischen Beziehung und damit der Verlust dieser wichtigen Person. Viele werden dann lieber leise Schmerzen ertragen und sich freuen über eine nette Person als das, für sie, riesige Risiko einer Beziehung einzugehen.> antwortet er mir und nimmt anschließend einen Schluck seines Kaffees. <Warum sollte ich dann zu mir stehen? Ist der Weg des Soll-Erfüllens nicht einfacher?> frage ich interessiert. <Komm mal mit.> sagt er zu mir und steht auf.

Gemeinsam gehen wir in das Badezimmer und er stellt sich neben einen Spiegel. <Stell dich vor den Spiegel und schaue hinein.> sagt er freundlich zu mir. Ich folge seiner Anweisung und frage ihn anschließend <Und jetzt?>. <Was siehst du?> fragt er mich und ich antworte ihm etwas irritiert <Meinen Körper?>. <Du hast meine Frage zu wörtlich genommen. Du siehst dich selber. So wie du dich wahrnimmst. Es gibt so viele Sichten auf das gleiche. Die Gesellschaft wird dir immer Attribute wie „Bildungsstand“, „Einkommen“ oder Entsprechung ihrer Normen zu Grunde legen. Sie wird ihren Wunsch von verschiedenen mehrheitlichen Standards immer gegen deine Individualität stellen. Folgst du ihren Normen, wo siehst du dich in diesem Spiegel? Ich möchte aber Felix sehen. Ich möchte Felix sein, mit meinen Gefühlen und Empfindungen. Ich möchte Ich sein. Manchmal muss der Mensch sich seinen Ängsten stellen.>

Norm

Ich? Ich muss ein stolzer Junge sein. Mit einer schönen Freundin. Einem gut bezahlten Job. Einem schönen Haus. Oder? Aber das bin nicht ich. Ich sehe das Spiegelbild. Das bin nicht ich. Warum eine Freundin? Warum darf ich nur Frauen schön finden? Ich meine da sind so viele schöne Menschen. Warum ein stereotypischer Junge sein? Ich fühle mich unwohl mit „Max“ oder „er“. Ich schaue auf meine Fingernägel. Ich hatte den Nagellack in einer Drogerie gekauft, da ich ihn schön fand. Ich hatte ihn nach dem Verlassen des Hauses aufgetragen. Ich finde, dass er wunderschön ist. ICH! Ich schaue in den Spiegel. Ich möchte Maria sehen! Nicht mehr die aufgezwungene Norm „Max“.

Aber doch wird es nur ein Traum bleiben. Der kalte Alltag und die Realität sprechen eine andere Sprache. Nicht der Norm entsprechen bei meinen Eltern? Ich sein, bei meinen Eltern? Ich fange an zu weinen. Warum ist es anderen Menschen so wichtig, wie ich lebe? Es ist mein Leben. Es wirkt als würde Maria, kein Recht mehr auf Leben haben durch die Gesellschaft.

<Hier ein Tempo für die Tränen. Ist alles gut bei dir?> fragt mich Felix. <Ja> antworte ich weinend. <Kannst du mich Maria nennen?> frage ich weinend. <Klar gerne Maria.> sagt er zu mir, als er gerade beginnt mich in den Arm zu nehmen um mich zu trösten. Es fühlt sich gut an. So fühlt es sich an zu Leben.

Hallo

Wir sind auf dem CSD angekommen. Ich gehe mit Felix zu einigen jungen Personen. Überall sind Regenbogen und die Menschen lachen und sind so individuell. Als wir gerade ankommen, erkenne ich meine Freundin. Kurz darauf bemerkt sie mich ebenfalls und sagt zur mir <Hallo.>. Ich bin verwundert. <Hallo, was machst du hier?> antworte ich etwas verwirrt. <Das gleiche könnte ich dich auch fragen. Ich bin hier um als Pansexuelle Person (Pansexuell = Das Geschlecht bzw. Geschlechtsidentität spielt beim sexuellen bzw. romantischen Interesse keine Rolle) für meine Rechte zu kämpfen. Und du?> antwortet sie mir mit einem Lächeln. Ich werde unruhig und nervös. Ich blicke zu Felix. Als er dies bemerkt, nickt er mir zu. <Ich pansexuelle Maria bin da, um tolle Menschen kennen zu lernen.> sage ich zögerlich und ängstlich. Angst überwinden im richtigen Moment. <Cool> antwortet sie mir. Nach ihrem Satz kommt sie zu mir und sagt zu den anderen <Darf ich euch mein Girlfriend vorstellen?>. Sie nimmt meine Hand und es fühlt sich warm an.

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