Hinweis: Diese Geschichte ist frei erfunden. Allerdings ist sie teilweise traurig und wird teilweise explizit. Bitte lese, diese Geschichte nur, wenn du dich bereit dafür fühlst. Sollte es dir nach dem Lesen der Geschichte schlecht gehen, suche dir Hilfe.
Es gibt eine begleitende Musikplaylist. Sie ist zum Anhören, während dem Lesen, aber die Lieder sind nicht an bestimmte Abschnitte gebunden. Link: https://www.youtube.com/playlist?list=PLeY9d37XnfOcsn9umJ4a7jmmkIulWof7c  

Vergehen der Zeit

Jahrzehnte vergehen. Von modern zu alt. Von strahlend zu vergilbt. Ich bin nun schon viele Jahre hier und habe so viele Menschen gesehen. Ich habe ihnen zugesehen, sie belauscht und sie verschwinden gesehen. Die Menschen wurden immer moderner, aber doch konnte der Fortschritt die Menschen im tiefsten Inneren nicht verändern. Als wären sie ein Haus. Und die Fenster und Türen wären der Kontakt zur Umwelt. Die Struktur im Haus bleibt gleich, es ändern sich nur die Bewohner:innen und die Ausstattung, und deren Geschichten.

Über die vielen Jahre und den dutzenden Geschichten habe ich doch so einiges gelernt. So viel, dass ich dir sagen kann, dass ein menschlicher Android echt gute Zufallsgeneratoren braucht. Was das bedeutet? Schaue in dein Inneres.

Schwebend wahrnehmbar

Ich liege mit meinen Händen über den Kopf auf dem Boden neben meinem Schreibtisch. Ich kann deutlich die Spuren fühlen, meine Muskeln melden noch immer Schläge. Das Gefühl ist abscheulich, gar unerträglich. Warum passiert mir das? Was mache ich falsch? Ich blicke in meinem Zimmer umher, es ist dunkel. Die Vorhänge vor dem schon leicht lädierten Fenster wurden zugezogen. Damit niemand etwas sehen kann. Die Stille und Leere des Raumes schwebt über mir. Der Raum wirkt so groß. Ich blicke meine Hände an, die Spuren der neuen Schläge vermischen sich mit den alten. Abheilen, wie soll das den funktionieren? Wie viel bedeute ich eigentlich? Ist es mehr als die Schläge, welche auf mich einprasseln? Doch wer soll es sehen? Welches Wetter draußen wohl gerade ist? Ich kann es gerade nicht sehen – aber es interessiert mich auch nicht. Denn jede Bewegung schmerzt. Selbst das Wegwischen der Tränen schmerzt. Genau wie jeder einzelne Atemzug.

Ohne Augen sehen

Ich werde verdeckt. Stoff verhindert, dass ich meine Arbeit machen kann. Wie oft werde ich genutzt, um hinein zu sehen? Wie oft werde ich genutzt um hinaus zu sehen? Das eine sollte deutlich öfter passieren, aber was hilft eine Aussicht, wenn das eigene Bild schmerzt? Erfahrungen, welche die Menschen machen, verletzen sie. Sie sehen ein Bild, ein Bild mit der Bedeutung Schmerz. Das Bild zu betrachten, birgt weiteren Schmerz. Aber sind es nicht exakt die Betrachtungen, die ihnen helfen würde, die Welt zu verstehen? Sie wissen etwas nicht und stellen Theorien auf und beweisen diese oder auch das Gegenteil.

Und wird hinausgesehen, so wird gesucht. Die Pracht der Welt leitet unter den Fragmenten der Schmerzen. Sie wird Schwarz-Weiß und undeutlich. Hoffen sie dann nichts mehr zu sehen oder zu erkennen? Würde sich ein Mensch die Zeit nehmen hineinzusehen?

Worte schneiden tief

Ich blicke auf mein Handy. Es ist eine WhatsApp-Nachricht der Person mitwelcher ich in einer Beziehung bin. Ich öffne gespannt das Handy. Die Person hat mich geghostet und schon öfter verletzt. Aber was soll Ich schon erwarten? Ich muss doch froh sein, dass jemand überhaupt etwas mit mir zu tun haben will. Ich schaue die Nachricht an. <Ich mache Schluss, du bist voll Scheiße zu mir und gehst mir ständig auf die Nerven.> lautet die Nachricht. Ein Stich durchbohrt die nicht abgeheilten Verletzungen. Eine Träne tropft auf das Handy. Ich starre weiter auf das Handy. Kann ich vielleicht noch etwas retten? Wobei die Person hat ja Recht, ich bin nichts wert. Ich bin komisch und unwichtig. Nach einiger Zeit schaue ich aus dem Fenster, ich möchte irgendwas spüren, außer die Leere die mich umgibt. Ist da draußen nicht irgendwo ein Platz für mich? An einigen Stellen fehlt der Lack am Fenster und auch die Sicht ist sehr getrübt. Nicht, dass ich noch viel sehen könnte mit meinen verweinten Augen. Es ist viel mehr die verlaufende Hoffnung in mir.

Was sehe ich?

Wie viel Wahrheit steckt in einem Bild? Die Person vor mir, starrt auf das Handy und erhält eine Erinnerung. Eine Erinnerung die Schmerzhaft ist und in der Zukunft immer wieder aufkommen wird. Aber warum die Situation und nicht Bestandteile? Weil die Menschen Angst davor haben. Wenn sie versuchen die Erinnerung zu verstehen, erwecken sie Ängste. Ängste, dass Dinge wahr sein könnten. Ängste, dass sie genauso sind. Ängste, dass es sich wiederholt. Die Person vor mir, hat nichts falsch gemacht sie müsste keine Angst haben. Aber sie könnte sehen, was sie verletzt hat bei einer Betrachtung. Das nicht die Liebe verletzt hat, sondern eine Person den Schaden zugefügt hat bzw. billigend den Kollateralschaden eines anderen Menschen in Kauf genommen hat.

Auch die Enttäuschung etwas nicht zu können ist schmerzhaft. Zu wissen, es hätte andere Wege gegeben, aber auch das ein Mensch ein Ziel erreichen hätte können. Aber wie sollen diese Wege sichtbar sein? Wenn das hindurchsehen schwer ist und das Sichtfeld immer kleiner wird.

Du bist real

<Weißt du> beginne ich zum Kuscheltier in meinen Armen zu sprechen. Es ist real, weil sonst niemand da ist. Die Leere brüllt mich nahezu an. <Ich dachte wirklich, dass ich der Person vertrauen kann.> Am Kuscheltier wische ich mein Tränen ab. Ich bin wertlos, das weiß ich. Ich blicke zum Fenster. Am Fenster fehlt der größte Teil des Lacks, einige Stellen wurden provisorisch mit einem anderen Lack geflickt. Die untergehende Sonne ist fast nur noch zu erahnen. <Ich dachte echt, dass wir einander etwas bedeuten.> rede ich weiter mit meinem Stofftier. <Aber Nein, heute hat mich die ganze Klasse ausgelacht und mir das Geheimnis vorgehalten.> ergänze ich weinend. Ich bin Nichts. Ich bin wertlos. Vielleicht sollte ich froh sein, dass sie zumindest einmal etwas zum Lachen hatten. Dann hat mein Leben wenigstens eine Art von Sinn. Ich beginne zu zittern, die eigenen Worte schmerzen, aber doch fühlen sie sich war an.

Wellen

Ich sehe innen und außen. Was im innersten stattfindet, kann auch ich nicht beeinflussen. Welche Gefühle und Ängste bekommen die Menschen? Sind es nicht jene, die sie erfahren haben. Ein Geheimnis ist intim. Der Verrat verletzend. Und ja die Menschen sollten verletzt sein, aber kein Mahnmal der Erinnerung errichten. Wie soll ein Mensch in der Sturmflut von Erinnerungen vorangehen?

Erinnerungen sind Werte. Werte die uns Angst spüren lassen oder Werte, die uns unterstützen. Die Bestandteile und das Verständnis der Erinnerung unterstützen die Menschen. Jene können damit entscheiden, welchen Status der Mensch zu einem anderen einnimmt. Unterschiedliche Menschen mit derselben Erinnerung zu bewerten, wäre wie einen Apfel und eine Banane zu vergleichen. Und doch darf der eigene Wert mit all der schlechten Sicht nicht verloren gehen. In einer Umwelt, in der gewisse Werte nicht überall exestieren, kann alles passieren und das vielfach. Eine Erinnerung ist meist die Auswahl einer dieser Möglichkeiten. Wie Wellen die an ein Schiff schlagen und manchmal über das Deck gehen, aber das Schiff darf nicht untergehen.

Sie alle haben doch Recht

<Kannst du denn überhaupt etwas?> schreit mich eine Person an. Ich sitze zusammengezogen auf dem Boden und halte mir meine Ohren zu. Ich weiß, dass ich nichts wert bin. Du musst es mir nicht sagen. Diese Worte hallen in meinem Denken wider und wider. Die Person schlägt meine Zimmertür zu. Ich kann nichts. Meine Tränen tropfen auf meine Beine. Ich blicke aus dem Fenster. Ob ich irgendwas da draußen gut kann? Wahrscheinlich nicht, ich bin nichts. Ich bilde mir sogar ein, einen dunkeln Himmel mit Sternen sehen zu können. Denn das Fenster hat kaum noch Lack und kaum noch einen Lichtdurchlass. Ich kann nichts. Ich bin wertlos. Sie alle haben doch Recht.

Sterne

Wahrheit oder Lüge? Wie weniger die Menschen sehen von einer Welt, desto mehr glauben sie an Lügen. Wie gerne würde ich das Licht der Sterne durchleiten. So viele verschiedene Sterne, ganz unterschiedlich und entsprechend schön zu sehen. Wunderbar funkelnd im schwarzen Nichts. Könnten Menschen nicht näher als das sein? Kein Mensch ist perfekt, aber doch bildet dieser Mensch für einige einen Fixstern. Vielleicht weil sie nicht nur ansehen, sondern durchsehen.

Ob eine Erinnerung wahr oder falsch ist, spielt keine Rolle, bei der Frage, ob sie real ist. Aber doch sticht die Falschheit heraus mit ihrer Zentrierung. In dem Moment, wo das Gefühl der Wertlosigkeit aufkommt ist es als Erinnerung festgehalten. Eine Erinnerung, wie jede andere.

Kein Problem

<Du kannst dich gerne hinsetzen.> sage ich sehr vorsichtig zur Person bei mir im Raum. Ich muss froh sein, wenn jemand überhaupt mit mir redet. <Ähm, das Fenster ist kaputt, daher könnte es kälter werden.> stammle ich, während ich auf das Fenster deute. Das Fenster sieht sehr ramponiert aus und zwei Spannbretter decken ein Loch in der Scheibe ab. Kaputt, wie Ich. Vielleicht genauso wertlos. <Ist doch kein Problem. Ich meine da liegen Decken, wenn es zu kalt ist, können wir uns ja einfach zudecken.> antwortet die Person mit einem Lächeln. <Ähm, ja klar> stammle ich. Wie peinlich. Es gibt Gründe, warum Menschen mit mir nichts zu tun haben wollen. Ich bin niemand. Warum sollte ein Mensch mir Aufmerksamkeit schenken? <Komm, gleich geht es los mit der neuen Folge, der Serie, welche wir beide mögen.> ruft die Person mir freudig zu, während sie sich auf das Bett sitzt. <Ich schalte noch kurz den Fernseher an.> antworte ich mit einem vorsichtigen lächeln.

Fortschritt

Hatte ich bereits erwähnt, dass ich alt bin? Nun steht der Wechsel an. Das Loch in mir zugedeckt mit Holz. Die Sicht nicht mehr möglich und ja trotz dessen hat es ein Mensch geschafft hineinzuschauen. Aber jetzt werde ich durch ein neues und modernes Fenster ersetzt. Ein Haus wird saniert und renoviert und steht dann wieder als sicherer und einladender Ort zur Verfügung. Ein Ort endlich die Bestandteile zu sehen und die Wirklichkeit zu sehen. Aber vor allem kann das Licht des wunderbaren Sonnenuntergangs, aber auch die Strahlen der Sterne wieder in das Haus eindringen. Die Protonen können das Funkeln in den Augen starten und damit die Faszination über die Außenwelt. Möge die Sicht nie wieder verdeckt werden und der Innenraum sicher vor Wellen sein.

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